Münster: Neuer Ansatzpunkt für Influenza-Medikamente

Die „Achillesferse“ des Influenza-Virus: Eine neue Studie unter Leitung der Universität Münster rückt das Protein Ubiquitin als Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente in den Focus.

Erstautorin Dr. Franziska Günl (l.) und die Leiterin der Studie Dr. Linda Brunotte
© Saskia Hinse

Jahr für Jahr stellt die Grippesaison eine Herausforderung für die Krankenhäuser dar. Trotz Impfung haben vor allem ältere Menschen und vorbelastete Patienten ein erhöhtes Risiko, schwer an Influenza zu erkranken. Besonders tückisch an den Influenza-Viren ist deren schnelle Mutationsfähigkeit, durch die sie zunehmend auch gegen Medikamente resistent werden. Um auch in Zukunft die Krankheit behandeln zu können, müssen daher dringend neue Wirkstoffe her. Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg liefern Forschende der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster in einer aktuell in dem Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlichten Studie: Das Team konnte 59 spezifische Modifikationen an der Polymerase des Influenza-A-Virus nachweisen, also dem entscheidenden Enzym, dass für die Herstellung von Kopien des Virus-Genoms verantwortlich ist. Das Besondere an den in der Studie beschriebenen Modifikationen: Sie werden von Proteinen der Wirtszellen vermittelt – und die können, anders als Virusproteine, nicht schnell mutieren. Daher sind sie ein vielversprechender Angriffspunkt für neue Medikamente.

Die Influenza-A-Virus-Polymerase ist auf Ubiquitin aus der Wirtszelle angewiesen

Die Influenza-A-Virus-Polymerase (IAV-Polymerase) ist ein hochkomplexes Protein mit gleich mehreren Funktionen. Zu diesen gehört, dass sie nach einer Strukturveränderung auch Kopien des Virus-Genoms (cRNA und vRNA) bilden kann. Ohne diesen „Funktionsswitch“ ist es dem Virus nicht möglich, sich zu vermehren. Wie Dr. Linda Brunotte und Dr. Franziska Günl zusammen mit Kollegen nun herausgefunden haben, benötigt die IAV-Polymerase Proteine der Wirtszelle als „molekulare Schalter“, um ihre vielfältigen Funktionen ausführen zu können. Dabei handelt es sich um Enzyme, die sogenannte Ubiquitinproteine an spezifische Stellen der Polymerase „anhängen“ und dadurch das Signal für den „Funktionsswitch“ auslösen. „Wir konnten eine Landkarte mit 59 Positionen auf der viralen Polymerase erstellen, an die Ubiquitin durch die Wirtszelle angebracht wird. Das sind komplett neue Erkenntnisse, die quasi eine ‚Achillesferse‘ der Influenza-A-Viren offenlegen“, erläutert Dr. Brunotte, Leiterin eines Forschungsteams am Institut für Molekulare Virologie sowie Initiatorin der Studie.

An 17 Stellen beeinflusst die Ubiquitinierung konkret die Aktivität der Polymerase. Die Forscherenden entdeckten auch eine spezifische Position , deren Modifikation das Signal für die Umwandlung und den damit verbundenen „Funktionsswitch“ der Polymerase darstellt. Dr. Günl, Erstautorin der Studie, blickt daher bereits nach vorn: „Auf Basis unserer Kartierung der Ubiquitinierung kann nun in weiteren Studien erforscht werden, welche Enzyme konkret für die Modifikation der IAV-Polymerase zuständig sind. Medikamente, die sich gegen diese Enzyme richten, wären gegenüber Mutationen der Influenza-Viren resistent und bieten somit viel Potenzial für künftige Therapien.“

Die Studie von Dr. Brunotte und Dr. Günl wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit 266.000 Euro gefördert. Passenderweise fiel das Veröffentlichungsdatum der Ergebnisse der beiden erfolgreichen Forscherinnen auf den „Internationalen Tag der Frauen in der Wissenschaft“.


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