Duisburg-Essen: Kommunikation auf Augenhöhe?

Eine internationale Studie unter Leitung der Universität Duisburg-Essen hat Arzt-Patient-Interaktionen an vier Universitätskliniken analysiert.

Symbolbild Ärztin und Patientin im Gespräch, Arzt-Patient-Interaktion
Ärztin und Patientin im Gespräch (Symbolbild).
© Adobe Stock | goodluz

Dass Ärzt:in und Patient:in gemeinsam die therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen beschließen, gilt als Goldstandard der medizinischen Kommunikation. Praktisch umgesetzt wird diese so genannte partizipative Entscheidungsfindung (SDM) nur teilweise. Eine internationale Studie unter Leitung der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat Arzt-Patient-Interaktionen an vier Universitätskliniken analysiert. Die Ergebnisse wurden soeben im Fachmagazin Teaching and Learning in Medicine veröffentlicht. Sie bestätigen eine Umsetzungslücke von SDM.

Die paternalistische Beziehung, in der Ärzt:innen zum Wohle von Betroffenen entscheiden, soll einem partnerschaftlichen Vorgehen weichen. Weltweit wird das in der medizinischen Ausbildung gelehrt. Aus Studien ist jedoch bekannt, dass dieser gemeinsame Entscheidungsprozess (Shared Decision-Making) im Versorgungsalltag oft zu kurz kommt. Wie verlaufen solche Gespräche? Das hat ein interdisziplinäres Team aus Soziologie, Medizin, Linguistik und Medizinpädagogik für unterschiedliche Sprach- und Wissenschaftsräume untersucht: in China, der Türkei, Deutschland und den Niederlanden.

Das Team unter Leitung von Soziologieprofessorin Dr. Anja Weiß (UDE) analysierte 71 Videobeobachtungen, mit denen der Erstkontakt eines Arztes bzw. einer Ärztin mit einem bzw. einer Schauspielpatient:in aufgezeichnet wurde. Diese:r klagt über Symptome von Herzschwäche. Eine Patientenakte liegt vor, es werden u.a. Beschwerden, Diagnose und Maßnahmen besprochen, wobei sich die Betroffenen ganz unterschiedlich einbringen.

„Unseren Beobachtungen nach ist die gemeinsame Entscheidungsfindung im klinischen Alltag länderübergreifend nicht lehrbuchgemäß“, sagt Prof. Anja Weiß. „Dennoch waren viele Aspekte und Variationen des SDM-Ideals in den von uns beobachteten Interaktionen offensichtlich: Die Ärzt:innen reagierten aktiv auf ihr Gegenüber, sie interessierten sich für die Perspektive ihrer Patient:innen, stellten Fragen, schlugen Erklärungen für deren Ängste vor. Oft geschah das allerdings auf routinierte Weise.“

Kulturelle Unterschiede in der Kommunikation konnte das Forschungsteam überraschenderweise nicht feststellen. Was die Gespräche auch zeigten: Die Interaktionen sind dynamisch, lassen sich nicht immer vorhersagen oder von den Behandelnden steuern. Und: Selbst zurückhaltende Patient:innen können eine aktive Rolle spielen, so dass es zu einer gemeinsamen Entscheidung kommt. „Das Lehrbuch-Modell von SDM ist in einigen Punkten vielleicht zu starr und sollte überdacht werden“, so Weiß. „Wir empfehlen, diesbezüglich in der medizinischen Ausbildung mehr Improvisationen und Variationen zuzulassen.“


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