Bonn: Wie wahrscheinlich tritt erneut Darmkrebs auf?

Forschende aus Bonn und Leipzig untersuchen Risikofaktoren für erneut auftretenden Darmkrebs bei Lynch-Syndrom.

(v. li.) Priv.-Doz. Dr. Christoph Engel und Dr. Robert Hüneburg , Darmkrebs
(v. li.) Priv.-Doz. Dr. Christoph Engel und Dr. Robert Hüneburg untersuchen Risikofaktoren für erneut auftretenden Darmkrebs bei Lynch-Syndrom.
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Das „Hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC)“ – kurz Lynch-Syndrom (LS) – ist die häufigste erblich bedingte Risikoerhöhung für Krebs. Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland etwa 300.000 Personen betroffen sind. LS erhöht das Risiko für Dickdarmkrebs und andere Krebsarten deutlich und ist für bis zu etwa fünf Prozent aller Dickdarmkrebs-Erkrankungen verantwortlich. Auslöser sind Defekte in Genen, die für die Reparatur der menschlichen Erbsubstanz DNA zuständig sind. Dabei kann es – auch nach zunächst erfolgreicher Behandlung – zu weiteren Dickdarmkrebs-Erkrankungen kommen.

Daher untersuchten Forschende aus Bonn und Leipzig im Namen des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs Risikofaktoren für das Auftreten einen zweiten primären Dickdarmkrebs. „Unser Ziel ist, die personalisierte Versorgung von Menschen mit Lynch-Syndrom zu verbessern“, sagt Co-Senior-Autor Prof. Dr. Jacob Nattermann. Er ist Leiter der Sektion Hepatogastroenterologie an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn (UKB) (Direktor: Prof. Christian Strassburg) und Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn.

Die Studie basiert auf Daten des zentralen Registers des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs. Ausgewertet wurden 852 Personen mit Lynch-Syndrom, die nach einer ersten Dickdarmkrebs-Erkrankung im Verlauf weiter beobachtet wurden. Analysiert wurde, inwieweit Faktoren wie Alter, Geschlecht, genauer Ort der Ersterkrankung und genetische Merkmale mit dem Risiko für eine spätere zweite Dickdarmkrebs-Erkrankung assoziiert sind.

„Etwa jeder fünfte der untersuchten Lynch-Syndrom-Träger entwickelte im Verlauf von durchschnittlich 7,9 Jahren einen zweiten Dickdarmkrebs“, sagt Erstautor Dr. Robert Hüneburg, Sprecher des Deutschen Konsortiums Familiärer Darmkrebs und Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn. Dieses ist Teil des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Bonn. „Unsere Ergebnisse tragen zu einer differenzierteren Risikoeinschätzung bei. Die systematische Auswertung genetischer und klinischer Parameter kann helfen, die Nachsorge und Beratung für Betroffene gezielter zu gestalten.“

Dabei zeigte sich unter anderem, dass das Risiko für eine weitere Dickdarmkrebs-Erkrankung vom betroffenen Gen abhängt. Personen mit Veränderungen in den Genen MLH1 oder MSH2 hatten ein höheres Risiko, als solche mit Veränderungen in MSH6 oder PMS2. Diese sogenannte Genotyp-Stratifizierung – also die Risikobewertung nach genetischem Befund – stellt einen wichtigen Ansatz dar, um individuelle Vorsorgestrategien zu entwickeln.

„Die Analyse basiert auf einer der bislang größten Personengruppe zu dieser Fragestellung“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Christoph Engel. Er ist Co-Senior-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Familiäre Tumorerkrankungen am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie IMISE der Universität Leipzig. „Die langjährige Dokumentation in unserem Register ermöglicht es, auch weniger offensichtliche Risikokonstellationen abzubilden.“

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den Nutzen strukturierter Registerdaten zur Erfassung klinischer Verläufe bei erblichen Tumorsyndromen. Sie bilden eine Grundlage für die Weiterentwicklung risikoadaptierter Nachsorgekonzepte.

Die Studie wurde durch das Deutsche Konsortium Familiärer Darmkrebs unter Leitung des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Leipzig durchgeführt. Beteiligt waren zudem Zentren in München, Heidelberg, Dresden, Düsseldorf, Tübingen, Hannover, Hamburg, Bochum und Magdeburg.


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