05.11.2025

© Damian Gorczany
„Künstliches Licht macht uns krank“, sagt Prof. Dr. Mustafa Özçürümez. Denn die künstliche Beleuchtung erlaubt es uns, die Nacht zum Tag zu machen. Wir bleiben lange wach, essen spät, schlafen unregelmäßig und halten uns überwiegend in Innenräumen auf.
Das alles führt dazu, dass unser gesamter Stoffwechsel aus dem Takt gerät. Im schlimmsten Fall kann das in die Entwicklung einer Lebererkrankung, der sogenannten metabolisch-dysfunktionsassoziierten steatotischen Lebererkrankung (ehemals: nicht-alkoholische Fettleber) münden. Was genau dabei in der Leber passiert, erforschen Özçürümez und sein Team vom Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum in aufwändigen Studien.
Wenn es nicht mehr richtig dunkel wird
Eine wichtige Stellschraube unseres Tag-Nacht-Systems ist das Hormon Melatonin. Es wird ausgeschüttet, wenn es dunkel wird, macht müde und sorgt für einen erholsamen Schlaf. Ein Problem: Durch künstliches blaues Licht, etwa vom Handy, Computer, Fernseher oder der Straßenbeleuchtung, wird es nachts kaum noch richtig dunkel. „Schon ab zehn Lux, dem Licht einer Vollmondnacht, wird die körpereigene Melatoninproduktion gehemmt“, warnt der Mustafa Özçürümez.
Er ist vielen weiteren Faktoren auf der Spur. Etwa der Rolle der genetischen Veranlagung bei unserer inneren Uhr. Was genau im Körper abläuft, je nachdem, wie wir unseren Tag gestalten, ist Gegenstand einer laufenden Studie, für die Teilnehmende gesucht werden. Darin untersucht das Team den Biorhythmus von Probandinnen und Probanden mit und ohne Fettlebererkrankung. Über 24 Stunden werden Blutdruck und Körpertemperatur kontinuierlich aufgezeichnet. Und zu verschiedenen Zeiten werden Blut- und Speichelproben abgenommen, um unter anderem den Melatoninspiegel und andere Laborwerte zu messen. Zusätzlich füllen die Teilnehmenden Fragebögen über ihre Aktivitäten, ihre Schlafgewohnheiten und ihre Aufenthalte im Freien und in Innenräumen aus. Im Anschluss tragen sie zwei Wochen lang Lichtsensoren, die genau aufzeichnen, wie viel Licht, natürliches wie künstliches, wann am Tag das Auge erreicht.
Komplexer Versuchsaufbau
Um die Vorgänge in der Leber noch genauer aufschlüsseln zu können, hat das Team einen Versuchsaufbau entwickelt, in dem es Schweinelebern mithilfe einer Nährlösung künstlich am Leben erhalten kann. Abdurrahman Coskun hat eine Nährlösung patentiert, mit der die Organe kontinuierlich durchspült werden. Jasmin Weninger entnimmt über 24 Stunden in vierstündigen Abständen Proben, um die Genaktivität der Leber zu untersuchen. Dabei stehen die Tagesrhythmus-steuernden Clock-Gene im Vordergrund. „Durch die Isolierung der entsprechenden RNA alle vier Stunden können wir nachweisen, dass die Hauptgene ihren Rhythmus unter den Versuchsbedingungen beibehalten“, berichtet Jasmin Weninger. „Ein Drittel der Gene in der Leber unterliegt einer tagesrhythmischen (circadianen) Expression, was auf eine weitreichende Regulation durch die innere Uhr hinweist.
Im nächsten Schritt soll der Versuchsaufbau weiter verfeinert werden: mit temperatur-, druck- und nährstoffgesteuerten Tageszyklen – realitätsnahe Bedingungen, wie sie im lebenden Organismus vorherrschen. Ziel ist es, die Leber über mehr als 24 Stunden am Leben zu halten und dabei die genauen biologischen Regelkreise zwischen Licht und Leber zu entschlüsseln.
Wie Vorbeugung gelingen könnte
„Nur wenige Forschungsgruppen weltweit befassen sich damit, und es sind noch weit mehr Fragen offen als beantwortet“, sagt Mustafa Özçürümez. Sollte sich ein Einfluss des Chronotyps auf die Entwicklung einer Fettlebererkrankung bestätigen, hätte dies weitreichende Konsequenzen für die Prävention. Die Anwendung von Lichttherapie, wie zum Beispiel in Polarregionen, Brillen mit Blaulichtfilter, Melatoninpräparaten aber auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen zur Schlafverbesserung könnten einen anderen Stellenwert bekommen.
Teilnehmen
Für die aktuelle Studie zum Biorhythmus werden noch Teilnehmende gesucht. Alle Informationen zur Studienteilnahme gibt es online.
Weitere Informationen
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