Aachen: Zwischen Medizin und Architektur

Professor Marcel Schweiker leitet den Lehrstuhl Healthy Living Spaces der RWTH Aachen und erforscht unter anderem, wie Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gestaltung in Räumen unser Wohlbefinden beeinflussen.

Marcel Schweiker leitet den Lehrstuhl Healthy Living Spaces der RWTH und erforscht unter anderem, wie Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gestaltung in Räumen unser Wohlbefinden beeinflussen.
Marcel Schweiker leitet den Lehrstuhl Healthy Living Spaces der RWTH und erforscht unter anderem, wie Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gestaltung in Räumen unser Wohlbefinden beeinflussen.
© Sven Wamig

Professor Marcel Schweiker forscht an der Schnittstelle von Architektur und Medizin. Schweiker wurde 2020 auf die Stiftungsprofessur Healthy Living Spaces der dänischen Stiftung VILLUM FONDEN an die Uniklinik RWTH Aachen berufen. Bisher war er mit seinem Lehr- und Forschungsgebiet dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uniklinik RWTH Aachen zugeordnet. Im Oktober 2024 wurde sein Lehrstuhl für Healthy Living Spaces in die Fakultät für Architektur integriert und als Brückenprofessur zwischen Architektur und Medizin verstetigt.

Architektur und Medizin, das klingt zunächst nach einer kuriosen Mischung. Klar wird es aber, wenn Marcel Schweiker beginnt zu erzählen. Alles begann 1998 mit seinem Architekturstudium in Kassel. Dass der Mensch und seine Rolle im Gebäude während des Studiums kaum behandelt wurden, störte ihn. „Ich stellte mir die Frage, wie die Architektur unser Wohlbefinden im Raum beeinflusst? Welche Wirkung haben Licht, Akustik, Temperatur und Raumgestaltung auf die Atmosphäre im Raum, auf uns und unsere Stimmung – und wie reagieren wir, wenn es unbehaglich wird? Das mag zunächst banal klingen, aber da jeder Behaglichkeit anders empfindet, ist das gar nicht so einfach zu beantworten“, erklärt der neuberufene Lehrstuhlinhaber.

Dieser Aspekt prägte seine wissenschaftliche Laufbahn. So stand der Mensch auch in seiner Promotion in Umwelt- und Informationswissenschaften an der Tokyo City University in Japan im Fokus, die er 2010 abschloss. Dort untersuchte er das Heiz- und Kühlverhalten von Bewohnerinnen und Bewohnern eines Studierendenwohnheims und deren Beeinflussung durch Informationsmaterialien. Schweiker leistete auf dem Feld des Nutzerverhaltens in diesem Bereich Pionierarbeit.

Nach seiner Promotion forschte er bis 2020 am Karlsruher Institut für Technologie weiter zu thermischer Behaglichkeit und baute einen Teststand auf, um die subjektive und physiologische Behaglichkeit von Menschen im Innenraum detaillierter zu untersuchen. Seine Habilitation legte Schweiker 2017 im Fach Bauphysik und Raumklimatik ab. Dabei beschäftigte er sich mit der Analyse und Modellierung individueller Adaptionsprozesse zur Bewertung des thermischen Komforts für verschiedene Gebäudekonzepte. 2019 übernahm er schließlich an der TU Kaiserslautern zusätzlich die Vertretungsprofessur für Energie und Technik.

Im April 2020 wechselte er dann auf die Stiftungsprofessur Healthy Living Spaces an die Uniklinik RWTH Aachen. In Aachen reizte ihn insbesondere das Forschungspotential des neuen Lehrstuhls. „Die Besonderheit dieses Lehrstuhls ist, dass er sowohl zur Medizinischen Fakultät als auch zur Fakultät für Architektur gehört. Ich habe also eine Brückenprofessur, was in erster Linie viele Möglichkeiten eröffnet, interdisziplinär zu forschen und von der Expertise beider Welten zu profitieren. Wir wollen verstehen, wie sich beispielsweise Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit sowie die Einrichtung und Raumgestaltung auf unser Wohlbefinden auswirken. Es geht darum, wie Gebäude auf uns wirken und wie die Raumgestaltung die Atmosphäre und damit auch unsere Stimmung beeinflusst. Da brauchen wir Expertinnen und Experten aus Architektur, Medizin und weiteren Disziplinen, wie der Psychologie, um uns diesem Thema zu nähern“, erklärt Schweiker.

Er und sein Team untersuchen außerdem, ob dynamische Temperaturbedingungen in Gebäuden energieeffizienter und für den Menschen physiologisch besser geeignet sind als konstante Bedingungen. Ein Beispiel ist die Zonierung von Gebäuden. So kann ein Gang zwischen zwei Gebäudeteilen bewusst kälter gehalten werden. „Wenn wir durch einen kalten Flur gehen, erleben wir einen Wechsel des Behaglichkeitsempfindens. Wenn wir dann wieder ins Warme kommen, empfinden wir das als deutlich angenehmer“, erklärt der Forscher. Die veränderte Wahrnehmung nach einem Wechsel von einem unbehaglichen zu einem behaglichen Gefühl – oder umgekehrt – heißt Alliästhesie. Gemeint ist damit die qualitative Veränderung der Wahrnehmung sensorischer Reize wie dem Temperaturempfinden. Diese Wahrnehmung, die physiologische sowie psychologische Reaktion und letztlich die daraus resultierende Aktion des Menschen im Gebäude faszinieren den ehemaligen Architekturstudenten.


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Der Leuchtturm Climate&Health.NRW beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit und wie diese adressiert werden können.

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