Aachen: Neue hochauflösende 3D-Bildgebung des menschlichen Herzens

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uniklinik RWTH Aachen haben einen bislang einzigartigen Atlas des menschlichen Herzens erstellt.

Symbolbild menschliches Herz, eine 3D Animation eines menschlichen Herzens schwebt über einer Hand, Bildgebung
Menschliches Herz (Symbolbild).
© AdobeStock | vegefox.com

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uniklinik RWTH Aachen, des University College London (UCL) und des Europäischen Synchrotrons (ESRF) haben einen bislang einzigartigen Atlas des menschlichen Herzens erstellt. Er reicht von den Zellen bis zum gesamten Organ. Dazu hat das Forschungsteam erstmals menschliche Herzen mithilfe der Hierarchischen Phasenkontrasttomographie (HiP-CT) bis auf Zellebene in der dritten Dimension abgebildet. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Radiology” veröffentlicht.

Zur Untersuchung des menschlichen Herzens verwenden Medizinerinnen und Mediziner in der Regel klinische Bildgebungsverfahren. Dazu gehören Ultraschall, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Obwohl sich die genannten Methoden optimal zur Diagnose von Herz-Kreislauferkrankungen eignen, lassen sie keine Rückschlüsse auf die strukturellen Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen des Herzens zu.

Für eine höhere Auflösung ist die Histologie erforderlich, bei der das Organ in Schnittpräparaten von Biopsien erfasst wird. Diese Methode bietet zwar detailliertere Informationen, allerdings ist das Sichtfeld erheblich eingeschränkt. Ein neu entwickeltes Verfahren, die sogenannte hierarchische Phasenkontrasttomographie (kurz HiP-CT), ermöglicht nun die Überwindung dieser Einschränkungen, indem eine umfassende und detaillierte dreidimensionale Darstellung des gesamten erwachsenen menschlichen Herzens erzeugt wird. „HiP-CT ermöglicht eine globale Betrachtung ganzer Organe in bislang unerreichter Auflösung und schließt damit die Lücke zwischen konventioneller Bildgebung und Histologie“, erläutert Univ.-Prof. Danny D. Jonigk. Er ist Direktor des Instituts für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen.

Die Aachener Forschungsgruppe hat als internationales Team an der Europäischen Synchrotronquelle ESRF im französischen Grenoble in Zusammenarbeit mit dem University College London (UCL), Wellcome Sanger Institute, Siemens Healthineers, dem Great Ormond Street Hospital, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), dem Helios Universitätsklinikum Wuppertal, dem Universitätsklinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und dem Laboratoire d’anatomie des Alpes Françaises (LADAF) mithilfe des HiP-CT-Bildgebungsverfahrens an der Beamline BM18 der ESRF abgebildet. Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode besteht in der Möglichkeit, eine vollständige dreidimensionale Ansicht des Organs mit einer Auflösung von 20 Mikrometern zu erzeugen, was einer etwa 20 Mal besseren Auflösung als bei einem klinischen CT-Scanner entspricht. Darüber hinaus ist eine Vergrößerung bis auf die Zellebene auf 2 Mikrometer möglich (200 Mal besser). Dadurch wird eine histologische Auflösung erreicht, ohne die Probe zu zerschneiden. Diese Technik bildet ganze Organe hierarchisch ab und offenbart Details und Verbindungen, die bisher unbekannt waren.

Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist die detaillierte Darstellung des Erregungsleitungssystems des Herzens, welches die elektrischen Signale erzeugt und weiterleitet, die die Pumpleistung des Herzmuskels steuern. Die virtuelle Aufteilung des Reizleitungssystems ermöglichte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Analyse der Gefäßversorgung sowie der Verbindungen zwischen den Herzknoten und den angrenzenden Strukturen. Der hier erreichte Detaillierungsgrad des gesamten Erregungsleitungssystems des erwachsenen Herzens übertrifft die Möglichkeiten, die mit den bisherigen bildgebenden Verfahren erreicht werden konnten.

Die Phasenkontrastbildgebung unterscheidet sich von der konventionellen Röntgenbildgebung, die auf der Absorption von Röntgenstrahlen beruht, indem sie die Brechung bestimmter Arten von Röntgenstrahlen ausnutzt, die das Gewebe durchdringen, anstatt sich nur auf die Absorption von Röntgenstrahlen zu verlassen. Die Bilder zeichnen sich durch einen deutlich höheren Kontrast und eine höhere Auflösung aus. Das ist insbesondere für die Darstellung von Weichteilen und feinen Strukturen, wie sie im Herzen vorkommen, von Vorteil. Eine Anfärbung mit einem Kontrastmittel ist hierfür nicht erforderlich.

„Diese Technik birgt ein enormes Potenzial für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden“, erklärt Professor Maximilian Ackermann von der Uniklinik RWTH Aachen. „Ein Beispiel dafür sind Herzrhythmusstörungen. Mit der heutigen Technologie ist eine genaue Interpretation der Anatomie, die den Herzrhythmusstörungen zugrunde liegt, sehr schwierig“, sagt er. „Unsere Ergebnisse werden dazu beitragen, die Entstehung von Herzrhythmusstörungen besser zu verstehen und die Wirksamkeit von Ablationsstrategien zur Heilung dieser Störungen zu optimieren“, fügt er hinzu. Die Ergebnisse zeigen insbesondere, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Unterschiede in der Dicke der Vorhofsubschichten bestimmen können. Einschließlich des epikardialen Fetts, das sich zwischen der äußeren Oberfläche des Herzens und dem schützenden Beutel, der das Herz umgibt, befindet. Diese Informationen könnten für die Verbesserung der Kryoablationsbehandlung durch die Herzwände bei Herzrhythmusstörungen von Bedeutung sein. Neben Herzrhythmusstörungen kann die HiP-CT auch Aufschluss über andere Herz-Kreislauferkrankungen geben.

Diese Arbeit ist ein Beitrag zum Projekt „Human Organ Atlas”. Dieses hat den Aufbau einer Open-Science-Bilddatenbank aller menschlichen Organe in Gesundheit und Krankheit zum Ziel. Das Projekt wird von der Chan Zuckerberg Initiative (CZI) mitfinanziert.


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