Sankt Augustin: Künstliche Intelligenz für klinische Studien

Ein neues Whitepaper des Fraunhofer IAIS zeigt, wie KI datensicher und effizient beim Finden von Studienteilnehmenden eingesetzt werden kann.

Symbolbild  Datenmanagement mit KI
Datenmanagement mittels KI (Symbolbild).
© AdobeStock | THAWEERAT

KI kommt in immer mehr Bereichen der Medizin zum Einsatz, doch das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Im Projekt DATACARE widmet sich das Fraunhofer IAIS mit Partnern dem Einsatz von KI im Bereich klinischer Studien. Ein Bestandteil ist das Patient-Trial-Matching (PTM). Ziel ist entsprechend den Richtlinien des von der EU-Kommission geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) eine sichere und zielführende Verarbeitung von Daten. Im Whitepaper „Das Projekt DATACARE – Künstliche Intelligenz für klinische Studien“ beleuchtet das Fraunhofer IAIS das Potenzial von KI mit Fokus auf dem PTM und diskutiert Ergebnisse sowie einen App-Prototyp für die Rekrutierung von Teilnehmenden.

Klinische Studien sind ein wesentlicher Bestandteil des Zulassungsprozesses für Medikamente. Jeder Schritt ist mit Herausforderungen verbunden, die häufig zu Verzögerungen oder Abbrüchen führen. Ein großer Anteil klinischer Studien scheitert auch daran, dass nicht genügend passende Teilnehmende gefunden werden. Das sogenannte Patient-Trial-Matching (PTM), also die Findung geeigneter Patientinnen und Patienten für klinische Studien, ist ein bedeutender Aspekt des Projekts DATACARE, dessen Ergebnisse das neue Whitepaper nun beleuchtet. Unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Projektträger (DLR-PT) entwickelte ein interdisziplinäres Forschungsteam, darunter auch Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, ein Konzept, dessen zentraler Bestandteil ein optimiertes PTM ist. Das zugrundeliegende Ziel: mittels KI geeignete Studienteilnehmende finden und den Einwilligungsprozess unter höchsten Datenschutzstandards vereinfachen.

Ob Arztbriefe, medizinische Leitlinien oder Pflegeberichte – Textdokumente sind ein wesentlicher Bestandteil im Gesundheitswesen und spielen auch in klinischen Studien eine bedeutende Rolle, weshalb KI-Technologien wie Natural Language Processing (NLP) und Large Language Models (LLMs) hier ein großes Potenzial bieten. Am Fraunhofer IAIS beschäftigen wir uns seit Jahren mit der automatisierten Verarbeitung dokumentenbasierter Prozesse, auch in der Medizin. Im Hinblick auf unsere Arbeit im Projekt DATACARE sind wir uns sicher. Auch in der Durchführung klinischer Studien ist KI eine Schlüsseltechnologie.
Dario Antweiler, Teamleiter des Geschäftsfelds Healthcare Analytics am Fraunhofer IAIS

Das PTM gestaltet das Angebot potenzieller klinischer Studien breiter und zugänglicher, indem automatisierte Prozesse die Voraussetzungen der Patientinnen und Patienten gezielt erfassen und eine passgenaue Zuordnung zu geeigneten Studien gewährleisten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im PTM kann die Effizienz klinischer Studien entscheidend erhöhen und die benötigte Zeit zur Entwicklung neuer Therapien deutlich verkürzen. So können KI-Algorithmen zum Beispiel die Eignung von Teilnehmenden für klinische Studien bewerten. Der Einsatz leistungsstarker LLMs, die auf umfangreichen Textdaten trainiert werden, ist dabei von entscheidender Bedeutung, da entsprechende Modelle relevante Informationen aus klinischen Studiendokumenten und Akten auswerten können.

Doch es gibt auch Herausforderungen, von rechtlichen und Datenschutz-Fragen bis hin zur Entscheidungskontrolle und Datensouveränität der Studienteilnehmenden. Für die Integration rechtlicher, klinischer, ökonomischer sowie technischer Forschungsexpertise wurde deshalb ein interdisziplinäres Team aus den Projektpartnern, den Fraunhofer-Instituten ITMP, IMW und IAIS, dem Universitätsklinikum Frankfurt, der Goethe-Universität Frankfurt und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gebildet. Auch eine Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten war aktiver Teil des Konsortiums, sodass die Perspektive der Betroffenen mit einfließen konnte.

Die Erkenntnisse aus dem Projekt haben die Expertinnen und Experten in einen Prototyp der DATACARE App umgesetzt, die künftig den Rekrutierungs- und Kommunikationsprozess bei klinischen Studien automatisieren und sowohl den Studienzentren als auch den Teilnehmenden zugutekommen könnte. Die App scannt ein breites Angebot an klinischen Studien und stellt eine Übersicht da. So können Nutzende selbständig Anfragen zur Teilnahme stellen. Der Prototyp arbeitet derzeit mit strukturierten synthetischen Daten im standardisierten FHIR-Format. Künftig soll die App auch auf die elektronische Patientenakte (ePA) zugreifen können, die ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt werden wird. Dafür müsste die App unstrukturierte Daten, wie beispielsweise Fließtexte in PDF-Dokumenten, verarbeiten können – auch dabei soll KI helfen.

Der von der EU-Kommission geplante Europäische Gesundheitsdatenraum zielt darauf ab, eine sichere und effiziente Verwendung von digitalen Gesundheitsdaten zu gewährleisten, die sowohl den Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger als auch den Fortschritt im Gesundheitswesen fördert. „Im Hinblick auf den geplanten EHDS kommt unserer Forschungsarbeit eine besondere Bedeutung zu“, sagt Sina Mackay. Sie ist Co-Autorin des Whitepapers und Data Scientist am Fraunhofer IAIS. „Projekte wie DATACARE liefern wertvolle Erkenntnisse, um die klinische Forschung nachhaltig effizienter zu gestalten, Datenschutz zu gewährleisten und die Patientenversorgung zu verbessern. Ebenso wie das Projekt PARIS, in dessen Zuge ein innovativer Ansatz zur systematischen Literaturrecherche mit Hilfe von KI entwickelt wurde, der wiederum zur Zielsetzung von DATACARE beiträgt.“


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