Köln: Körpereigene Fette beeinflussen psychische Erkrankungen

Eine genetische Störung führt zur Erhöhung von bioaktiven körpereigenen Fetten im Gehirn, was ein Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung in Gehirnschaltkreisen zur Folge hat und psychische Erkrankungen begünstigt. Die Behandlung mit einem Enzymhemmer, der die Aktivierung der Fette unterbindet, kann das Gleichgewicht jedoch wiederherstellen und die Symptome lindern.

Die Studie weist darauf hin, dass die Regulation von Erregung und Hemmung durch synaptische Lipidsignale eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen spielt.
Professor Dr. med. Johannes Vogt, Universität zu Köln
Gelbes Fett, wie Fettleibigkeitszellen, unter dem Mikroskop
Symbolbild Fettzellen
© AdobeStock | sergojpg

Erhöhte Werte körpereigener bioaktiver Fette, die im Gehirn die Erregungsübertragung zwischen den Gehirnzellen beeinflussen, fördern psychische Erkrankungen. Die Behandlung mit einem Hemmstoff, der die Aktivierung der Fetten im Gehirn verhindert, kann diesen Mechanismus jedoch wieder ins Gleichgewicht bringen. Das zeigt eine aktuelle Studie zum Zusammenhang zwischen synaptischen Lipidsignalen im Gehirn und psychischen Störungen. Die Ergebnisse, die neue Wege für die Behandlung von psychischen Erkrankungen eröffnen können, wurden unter dem Titel „Altered cortical synaptic lipid signaling leads to intermediate phenotypes of mental disorders“ in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht.

Die Teams um Professor Dr. med. Johannes Vogt am Department of Molecular and Translational Neurosciences der Universität zu Köln, Professor Dr. med. Dr. phil. Robert Nitsch am Institute of Translational Neuroscience der Universität Münster sowie Partner an weiteren Universitäten untersuchten die Rolle des Enzyms Autotaxin und dessen Gegenspieler, das Protein PRG-1, in der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung in den Gehirnen von Menschen und Mäusen. Die Forschungen wurden unter anderem im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1451 „Schlüsselmechanismen normaler und krankheitsbedingt gestörter motorischer Kontrolle“ (Sprecher: Professor Dr. Gereon Fink, Universität zu Köln) durchgeführt.

Das Projekt unter der Leitung von Vogt und Nitsch im Rahmen des SFB befasst sich mit dem Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn und dessen Auswirkung auf die Motorik. Auch bei psychischen Störungen spielt dieses Gleichgewicht eine wichtige Rolle. Bei der Erregung bewirken neuronale Schaltkreise, dass Informationen weitergegeben werden und weitere Neuronen aktivieren, bei der Hemmung wird diese Informationsweitergabe unterbrochen.  

Die Arbeitsgruppen in Köln und Münster haben bereits in Voruntersuchungen gezeigt, dass körpereigene Fette im Gehirn durch das Enzym Autotaxin aktiviert werden. Dort, am zentralen Checkpoint der Signalübertragung, der kortikalen Synapse, stimulieren sie die Nervenzellaktivität. Dadurch verändern sie die Informationsverarbeitung in Netzwerken des Gehirns.

Nun haben die Forschenden die funktionellen Folgen einer Veränderung im Signalgleichgewicht bei 25 Individuen analysiert. Diese wurde durch eine genetische Störung eines Gegenspielers von Autotaxin, der aktivierte Fette an der Synapse reduziert, hervorgerufen. Unter Verwendung verschiedener Methoden zur Erfassung der Hirnströme, der Hirnaktivität und psychologischer Tests fanden die Forschenden spezifische Veränderungen, die auch bei Patient:innen auftreten. Sogenannte intermediäre Phänotypen psychischer Erkrankungen. Hierbei können zum Beispiel vergleichbare Muster der Gehirnaktivierung sowohl bei Patient:innen als auch bei deren klinisch gesunden Angehörigen gemessen werden.

Zusätzliche Untersuchungen im Mausmodell ergaben, dass Tiere, die eine gleichartige genetische Störung aufwiesen, vergleichbare Symptome zeigten: erhöhte Ängstlichkeit, ein depressiver Phänotyp und eine geringere Stress-Resilienz. Die Synchronisation und der Informationstransfer zwischen Gehirnarealen war bei Menschen und Mäusen vergleichbar verändert.

Autotaxin ist das Schlüsselenzym der Fettaktivierung in den Gehirnen von Mäusen und Menschen. Der aufgrund der genetischen Störungen erhöhte Erregungszustand der Netzwerke konnten durch die Gabe spezifischer Hemmstoffe des Autotaxins wiederhergestellt werden. Diese Erkenntnisse eröffnen den Forschenden zufolge neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie solcher Störungen. „Die gezielte Modulation synaptischer Lipidsignale durch hirngängige Autotaxin-Hemmer könnte Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Störungen eröffnen“, resümiert Professor Nitsch. In zukünftigen Untersuchungen planen die Forschenden, diese Ansätze weiter zu verfolgen und ihre Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien zu überprüfen.


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