20.10.2021
Rund fünf bis zehn Prozent aller Krebsfälle sind vererbt. Ursache dafür sind schädliche Erbgutveränderungen, die innerhalb der Familie weitergegeben werden können. In solchen Risikofamilien kommt es oft zu einer Häufung bestimmter Krebserkrankungen – dies gilt insbesondere für Brust- oder Eierstockkrebs. Die Risikogene BRCA1 und BRCA2 gehören zu den ersten identifizierten Genen, die mit diesen Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht wurden. Mittlerweile ist eine Vielzahl weiterer Gene hinzugekommen. Jedes Risikogen kann zudem in zahlreichen Varianten auftreten, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden.
Licht ins Dunkel der Genvarianten bringen
Je nachdem, welche Variante eines bestimmten Gens vorliegt, senkt oder erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tumor entsteht. Viele dieser Risikogenvarianten sind jedoch noch weitgehend unerforscht. Insbesondere bei neu entdeckten und bislang weniger gut untersuchten Kandidaten gibt es eine Vielzahl von Varianten, deren klinische Auswirkungen noch unbekannt sind.
Während der Anteil von Varianten in den gut untersuchten Genen BRCA1 und BRCA2 weniger als fünf Prozent beträgt, ist diese Zahl bei bekannten neuen Risikogenen noch deutlich höher – sie liegt derzeit bei rund 20 Prozent. Konkret bedeutet dies: Jede 5. Frau, die sich auf familiären Brust- oder Eierstockkrebs testen lässt, erhält einen Befund, dessen klinische Auswirkungen unklar sind. Ein solcher Befund birgt das Risiko medizinischer Fehlinterpretationen und somit von Maßnahmen und Therapien, die unter Umständen gar nicht nötig sind. „Das Wissen um ein familiäres Krebsrisiko ist für viele Menschen sehr belastend. Daher ist es umso wichtiger, eine möglichst präzise Vorhersage treffen zu können und die weiteren Schritte gemeinsam mit den Betroffenen genau zu planen“, erläutert Prof. Dr. Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Köln. Die Ärztin ist Sprecherin und Leiterin der Verbundstudiengruppe und Koordinatorin des Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs in Deutschland.
Neues Wissen dank Datenbanken und Software-Analyse
Die Wissenslücke zwischen Genanalyse, der Einordnung von Risikogenvarianten und klinischer Interpretation wollen die Forscher:innen nun schließen. Ihr Ziel ist es, mithilfe modernster IT-Methoden eine umfassende Varianten-Datenbank aufzubauen. So sollen etwa alle verfügbaren Informationen zu alten und neuen Genvarianten in diese Datenbank integriert werden.
Eine spezielle Software wird die Varianten dann analysieren und nach klinischen Auswirkungen klassifizieren. So können Mediziner und Medizinerinnen zukünftig genauere Vorhersagen über das Auftreten eines Tumors und den möglichen Krankheitsverlauf beim familiärem Brust- und Eierstockkrebs treffen. „Mithilfe dieser Ergebnisse möchten wir eine personalisierte Risikoberechnung, entsprechend danach gerichtete Maßnahmen der Prävention und eine gezielte Therapie für jede Patientin möglich werden lassen“, so Schmutzler. Genvarianten, für die noch nicht genügend Daten vorliegen, werden durch die am Projekt beteiligten Experten unterschiedlicher Fachbereiche im Labor untersucht und ebenfalls klassifiziert. Die Erkenntnisse aus diesen Arbeiten fließen wiederum in die Datenbank ein.
„Mit der Förderung dieses Verbundprojektes verfolgen wir gemeinsam mit den beteiligten Wissenschaftlern auch das Ziel, ein Modellkonzept zu entwickeln, das für andere Krebsarten ebenfalls etabliert werden könnte“, so Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Wir leisten somit wichtige wissenschaftliche Pionierarbeit für die medizinische Versorgung von morgen.“
Weitere Informationen
Zu den Pressemitteilungen beim idw und bei der Deutschen Krebshilfe.