13.01.2021
Ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Federführung der Universität Bonn hat neuartige Antikörper-Fragmente gegen das SARS-Coronavirus-2 gefunden und weiterentwickelt. Diese „Nanobodies“ sind viel kleiner als klassische Antikörper. Sie dringen daher besser ins Gewebe ein und lassen sich leichter in größeren Mengen herstellen. Die Wissenschaftler am Universitätsklinikum Bonn haben die Nanobodies zudem zu potenziell besonders wirksamen Molekülen kombiniert. Diese attackieren gleichzeitig verschiedene Angriffspunkte des Virus. Der Ansatz könnte verhindern, dass sich der Erreger durch Mutationen dem Wirkstoff entzieht. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science erschienen.
Antikörper sind eine wichtige Waffe des Immunsystems zur Abwehr von Infektionen. Sie heften sich an Oberflächen-Strukturen eines Bakteriums oder Virus und verhindern so seine Vermehrung. Eine Strategie im Kampf gegen Krankheiten ist es daher, in großen Mengen wirksame Antikörper herzustellen und den Erkrankten zu spritzen. Der scheidende US-Präsident Donald Trump verdankt dieser Methode möglicherweise seine schnelle Genesung. Die Antikörper, mit denen er behandelt wurde, haben allerdings eine komplexe Struktur, gelangen nicht sehr tief ins Gewebe und können möglicherweise ungewollte Komplikationen hervorrufen. Antikörper zu produzieren, ist zudem schwierig und zeitaufwändig. Für den breitflächigen Einsatz taugen sie deshalb wohl nicht.
Massenproduktion in Hefen oder Bakterien
„Wir setzen dagegen auf eine andere Gruppe von Molekülen, die Nanobodies“, erklärt Dr. Florian Schmidt, der am Institut für Angeborene Immunität der Universität Bonn eine Emmy-Noether-Gruppe zu diesem vielversprechenden neuen Forschungsgebiet leitet. „Dabei handelt es sich um Antikörper-Fragmente, die so simpel aufgebaut sind, dass man sie von Bakterien oder Hefen produzieren lassen kann, was mit geringeren Kosten verbunden ist.“
Allerdings bildet das Immunsystem fast unendlich viele verschiedene Antikörper, und sie alle erkennen unterschiedliche Zielstrukturen. Nur ganz wenige von ihnen sind also zum Beispiel dazu in der Lage, das SARS-Coronavirus-2 außer Gefecht zu setzen. Diese Antikörper zu finden, ähnelt der Suche nach einem einzelnen Sandkorn an Deutschlands Ostsee-Küste. „Wir haben dazu zunächst ein Oberflächenprotein des Coronavirus in ein Alpaka und ein Lama injiziert“, erläutert Schmidt. „Ihr Immunsystem produziert dann vor allem solche Antikörper, die sich gegen dieses Virus richten. Lamas und Alpakas bieten zudem den Vorteil, dass sie neben komplexen normalen Antikörpern auch eine einfachere Variante herstellen, die als Basis für Nanobodies dienen kann.“
Einige Wochen danach entnahmen die Wissenschaftler den Tieren eine Blutprobe. Daraus gewannen sie die genetische Information aller Antikörper, die diese gerade produzierten. Diese „Bibliothek“ enthielt immer noch Millionen verschiedene Baupläne. Mit einem aufwändigen Verfahren sortierten sie diejenigen davon heraus, die eine wichtige Struktur auf der Oberfläche des Corona-Virus erkennen, das Spike-Protein. „Insgesamt erhielten wir so Dutzende Nanobodies, die wir dann weiter untersuchten“, erklärt Dr. Paul-Albert König, Leiter der Core Facility Nanobodies an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und Erstautor der Studie.
Das Unternehmen Dioscure Therapeutics, eine Ausgründung der Universität Bonn, soll die Nanobodies in klinischen Studien testen. Der Erfolg des Projektes basiere vor allem auf der exzellenten Zusammenarbeit der beteiligten Arbeitsgruppen an der Universität sowie mit den nationalen und internationalen Kooperationspartnern, betont Florian Schmidt, der auch Mitglied im Exzellenzcluster Immunosensation2 der Universität Bonn ist.
Mehr Informationen
Zur Pressemitteilung der Uni Bonn.
Direkt zur Originalpublikation.