Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien veröffentlicht

Gen- und Zelltherapien könnten dazu beitragen, bisher unheilbare Krankheiten zu heilen. Damit das gelingt, hat das Berlin Institute of Health (BIH) dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) heute entsprechende Handlungsempfehlungen übergeben.

V.li.n.re.: Die Wissenschaftler Hannes Klump, Sven Stegemann, Jørgen Magnus und Martin Zenke aus Aachen haben in die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien ihre Expertise aus den Bereichen Transfusionsmedizin und zelluläre Therapeutika, Pharma- und Medizinregulatorik, Verfahrenstechnik und Zellbiologie einfließen lassen.
Die Wissenschaftler Hannes Klump, Sven Stegemann, Jørgen Magnus und Martin Zenke (v.l.n.r) aus Aachen haben in die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien ihre Expertise aus den Bereichen Transfusionsmedizin und zelluläre Therapeutika, Pharma- und Medizinregulatorik, Verfahrenstechnik und Zellbiologie einfließen lassen.
© DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien

Schwerkranken Menschen neue Behandlungsperspektiven durch gen- und zellbasierte Therapien bieten zu können und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs-­ und Innovationsstandortes Deutschland auf dem Gebiet der gen- und zellbasierten Therapien langfristig zu stärken.
Mit diesem Ziel haben sich rund 150 Expert:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammengeschlossen und im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien entwickelt.

Aus Aachen sind gleich sechs Wissenschaftler Teil des großen Expertengremiums: Sven Stegemann (Leibniz Joint Lab first in Translation), Hannes Klump, Fabian Beier und Martin Zenke (Uniklinik RWTH Aachen) sowie Robert Schmitt und Jørgen Magnus (RWTH Aachen). Das Strategiepapier ist am 12. Juni 2024 vom Berlin Institute of Health (BIH) an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, in Berlin übergeben und veröffentlicht worden.

Gen- und zellbasierte Therapien haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie der nächste Quantensprung in der Behandlung schwerer, bislang unheilbarer Erkrankungen sein können. Ein bekanntes Beispiel ist die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie zur Behandlung bestimmter Formen von Blutkrebs. Hier werden körpereigene Immunzellen so programmiert, dass sie Tumorzellen erkennen können und sie zum Absterben bringen.

„Deutschland nimmt eine führende Rolle in der Gen- und Zelltherapieforschung ein, allerdings findet die weitere Entwicklung und Wertschöpfung zumeist in anderen Ländern statt. Patienten erhalten dadurch erst verspätet Zugang zu innovativen Therapien. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Es bedarf unter anderem schlankerer Prozesse bei den behördlichen Verfahren, einer intensivierten Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie sowie der Ausbildung neuer Fachkräfte. Indem in die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien die Perspektiven aus Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft eingeflossen sind, stehen der Politik Handlungsempfehlungen zur Verfügung, die Weichen für sowohl den schnellen Zugang von innovativen Therapien als auch die Wertschöpfung des Potentials in Deutschland zu stellen“, erläutert Sven Stegemann. Er ist Leiter des Leibniz Joint Lab first in Translation am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien aus Aachen. Und ebenfalls Teil des Expertengremiums, das die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien erarbeitet hat.

Die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien unterteilt sich in acht Handlungsfelder, in denen detaillierte Ziele und Maßnahmen vorgeschlagen werden. Mit sechs mitwirkenden Wissenschaftlern ist der Wissenschaftsstandort Aachen im NRW-Vergleich am stärksten vertreten. Sven Stegemann hat sich mit seiner Expertise in den Bereichen Technologietransfer und den qualifizierten Produktionsstätten für gen- und zellbasierter Therapie-Produkte eingebracht.

Von der Uniklinik RWTH Aachen haben Hannes Klump (Institut für Transfusionsmedizin und zelluläre Therapeutika), Fabian Beier (Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation) und Martin Zenke (Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation) in den Handlungsfeldern zu Ausbildung und Kompetenzstärkung, Marktzulassung und Anwendung in der Versorgung sowie Interaktion mit der Gesellschaft mitgearbeitet. Robert Schmitt (WZL der RWTH Aachen und Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie) und Jørgen Magnus (Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik) der RWTH Aachen haben ebenfalls ihre Expertise in die Handlungsfelder zum Technologietransfer und den qualifizierten Produktionsstätten für gen- und zellbasierter Therapie-Produkte einfließen lassen.

Auch Prof. Dr. Stefan Uhlig, Dekan der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen University, betont die Bedeutung der Nationalen Strategie für gen- und zellbasierte Therapien für den medizinischen Forschungsstandort Aachen: „Unser Ziel ist, Aachen als Translationshub für Medizintechnik zu etablieren. Dazu passt ausdrücklich die gen- und zellbasierte Therapie. Das zeigen auch die vielen Aachener Experten auf diesem Feld.“ Unter Translationshubs versteht man spezialisierte Zentren der Universitätsmedizin, die sich der Überführung grundlagenwissenschaftlicher Forschungsergebnisse in neue präventive, diagnostische oder therapeutische Verfahren zur Anwendung am Menschen widmen.

Die Zell- und Gentherapie ist ein sich schnell entwickelndes Feld, sodass die erarbeiteten Maßnahmen dieser Dynamik Rechnung tragen müssen. Sven Stegemann beschäftigte sich speziell mit den notwendigen Maßnahmen für die Herstellung und Bereitstellung von gen- und zellbasierten Therapien zur Anwendung an Patient:innen. Der Bedarf sei steigend, erläutert er, es müssen unbedingt entsprechende Herstellungskapazitäten gemäß den geltenden Richtlinien zur Verfügung gestellt werden. Im Handlungsfeld ‚Ausbau von Qualität und Kapazitäten in der GMP-Produktion‘ führt er als Sprecher dieser Arbeitsgruppe den bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von qualifizierten Produktions-Infrastrukturen wie dem Leibniz Joint Lab first in Translation einschließlich der Ausbildung des qualifizierten Personals als hohe Priorität an.

„Auch die Einrichtung eines zentralen Gremiums für Regulatorik in der gen- und zellbasierten Therapie, welches kontinuierlich den Bedarf analysiert und entsprechend vorantreibt, wird in unserer Arbeitsgruppe als essenziell erfasst. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass notwendige Investitionen zielgerichtet und schnell erfolgen und die vorhandenen Stärken in der gen- und zellbasierten Therapie in Deutschland effektiv ausgebaut werden“, so Stegemann. Nur so bestünde die Chance, dass der Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb eine führende Rolle einnehme. „Wir verfügen über alle Möglichkeiten, die Technologiesouveränität in der Zell- und Gentherapie in Deutschland zu erhalten und weiter auszubauen. Jetzt ist die Zeit, sie zu nutzen“, schließt Sven Stegemann ab.

Im Herbst 2022 wurde das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) vom BMBF damit beauftragt, die Erstellung einer Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien zu koordinieren. In dem Zeitraum von Oktober 2023 bis Mai 2024 erarbeiteten die rund ernannten 150 Vertreter:innen aus den Bereichen Wissenschaft, Industrie, Politik und Gesellschaft in acht Arbeitsgruppen mit organisatorischer Unterstützung des BIH das Dokument zur Nationalen Strategie für gen- und zellbasierte Therapien. Das Dokument benennt die Herausforderungen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern und es werden jeweils entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung vorgeschlagen.


Weitere Neuigkeiten aus NRW zu Innovationen, Forschungsergebnissen und Entwicklungen der innovativen Medizin finden Sie bei unseren News.


Beitrag teilen:
X
LinkedIn
Mail
Link kopieren