mRNA-Impfstoffe sowie Zell- und Gentherapeutika automatisiert und kostengünstig produzieren

Ziel des Fraunhofer-Leitprojekts RNAuto ist es, mithilfe von automatisierten Produktionstechnologien mRNA-Medikamente sowie Arzneien für individualisierte Therapien künftig kostengünstig in großen Mengen herstellen zu können und zu einem bezahlbaren Preis verfügbar zu machen.

Automatisierte Produktionstechnologien mRNA-abgeleiteter Impfstoffe sowie von Zell- und Gentherapeutika.
Automatisierte Produktionstechnologien mRNA-abgeleiteter Impfstoffe sowie von Zell- und Gentherapeutika.
© Fraunhofer IZI

Die Entwicklung von Arzneimitteln für neuartige Therapien wie Gen- und Zelltherapeutika sowie von mRNA-Impfstoffen boomt. Nicht zuletzt angetrieben durch die COVID-19-Pandemie wächst der Markt der Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs) stetig. Diese Arzneimittel für neuartige Therapien sind ein bahnbrechender Meilenstein in der Behandlung komplexer, bislang nicht heilbarer Erkrankungen. Dazu gehören etwa viele Krebserkrankungen.

Doch noch werden ATMPs nur selten verabreicht. Limitierender Faktor ist der arbeitsaufwendige und bisher häufig manuell durchgeführte, kostenintensive Herstellungsprozess. Um möglichst vielen Patientinnen und Patienten maßgeschneiderte, personalisierte Therapien anbieten zu können, bedarf es digitalisierter, automatisierter Produktionsprozesse.

Zusammen stärker

Im Leitprojekt RNAuto (siehe Kasten) bündeln sieben Fraunhofer-Institute ihre Kompetenzen aus den Bereichen Medizin, Biologie und Ingenieurwissenschaften. Dazu gehören das Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und System (IMS) in Duisburg und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen. Ziel ist es, mRNA-Impfstoffe sowie Gen- und Zelltherapeutika, die mRNA als Ausgangsstoff nutzen, automatisiert, schnell und kostengünstig in großen Mengen herstellen zu können. Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeiten liegt in der Entwicklung einer bis hin zum Industriemaßstab skalierbaren Screening-Anlage mit digitaler Prozesssteuerung und datengetriebener Qualitätskontrolle, mit der sich mRNA (messenger RNA) in Nanotransporter aus Lipiden verkapseln lassen. Dabei strebt das Projektteam zunächst die mRNA-Wirkstoffproduktion im Labormaßstab bis 20 ml an. In Kooperation mit den Fraunhofer-Instituten für Mikrosysteme und Mikrotechnik IMM, für Produktionstechnologie IPT und für Zelltherapie und Immunologie IZI koordiniert das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE die Konzeption und den Aufbau der automatisierten, komponentenbasierten Screening-Anlage.

Austauschbare und miteinander kombinierbare Komponenten

Die Anlage mit einer Größe von 1,20 m x 0,90 m x 0,90 m besteht aus skalierbaren, flexiblen und herstellerunabhängigen Produktionsmodulen, die sich im Falle eines Defekts per Plug and Play austauschen lassen. Zur Herstellung eines zuverlässigen mRNA‑Arzneimittels muss eine gleichbleibende Produktqualität gewährleistet sein, die auch die Quantifizierung der Menge verkapselter mRNA in den Nanotransportern einbezieht. Das ungleichmäßige Verhältnis verkapselter mRNA im Anlauf des Mischprozesses und hohe Durchflussraten im Produktionsprozess stellen Herausforderungen für eine fortlaufende Qualitätskontrolle dar. »Die Technik der Verpackung von mRNA in die Lipidkapseln bzw. Kügelchen ist äußerst komplex. Zahlreiche Parameter wie die Länge und Struktur der mRNA, die Größe, Viskosität und Ladung der Lipide oder Maschineneinstellungen wie Druck, Flussgeschwindigkeiten und Temperatur beeinflussen die Verpackungsgüte«, sagt Rolf Hendrik van Lengen, Program Manager Digital Healthcare am Fraunhofer IESE.

Anlage mit integrierter Online-Analytik zur digitalen Qualitätssicherung und Dokumentation

Die Qualitätssicherung sowie die Prozesssteuerung, sprich die Steuerung von Pumpe, Mischer und Co., erfolgt vollständig digital – über Digitale Zwillinge und KI-gestützte Software-Tools – ein Novum in der Herstellung von mRNA-Wirkstoffen. Hierfür nutzen die Forscherinnen und Forscher ihre Erfahrungen aus der Industrie 4.0 und setzen Software wie die Industrie-4.0-Middleware Eclipse BaSyx vom Fraunhofer IESE und die Prozesssteuerungssoftware COPE vom Fraunhofer IPT ein. Die erforderlichen digitalen Informationen werden über eine dynamische Lichtstreuung (DLS) – eine Messtechnik zur Charakterisierung von Partikelgrößen in Emulsionen – sowie zusätzliche Temperatur- und Drucksensorik an die Digitalen Zwillinge geliefert und dokumentiert, wobei jede Komponente durch ihren eigenen Digitalen Zwilling repräsentiert ist.

Digitaler Zwilling

Mit der Screening-Anlage können die Projektpartner die optimale Kombination von mRNA und Lipiden und den besten Verpackungsgrad ermitteln. Jeder einzelne Versuch mit veränderten Parametern lässt sich digital mithilfe des Digitalen Zwillings der Produktqualität protokollieren. Etwaige Fehler wie beispielsweise zu niedrige Temperaturen werden auf diese Weise dokumentiert und die zugehörigen Informationen digital zur Verfügung gestellt. In der letzten Ausbaustufe der Anlage initiiert der Digitale Zwilling in einer solchen Situation entsprechende Korrekturmaßnahmen. »Mit unserer integrierten Online-Analytik können wir bereits während des Herstellungsprozesses automatisiert die Qualität messen und so die optimale Wirkstoffzusammensetzung ermitteln. Üblicherweise werden bei vielen Herstellungsverfahren in der Pharmazie im laufenden Prozess Proben entnommen und extern analysiert. Im schlimmsten Fall müssen komplette Chargen entsorgt werden. Dies vermeiden wir mit unserer Online-Analytik«, erläutert der Diplom-Informatiker. »Die Anlage wird eine automatisierte, komponentenbasierte, flexible und validierbare Produktion ermöglichen.« Das Forschendenteam wird bei Fertigstellung der Anlage in der Lage sein, innerhalb von wenigen Sekunden 20 ml mRNA-Wirkstoff qualitätsgesichert herzustellen.

Industriereife in Arbeit

Sobald die Anlage fertig aufgebaut ist, wird der mRNA-Wirkstoff im Projekt RNAuto zur Prophylaxe gegen die Viruserkrankung West-Nil-Fieber automatisiert hergestellt und am Fraunhofer IZI in Leipzig auf seine Wirksamkeit getestet. Ende 2025 soll die Anlage am Fraunhofer IMM in Mainz fertig aufgebaut und auch Industriepartnern zur Verfügung gestellt werden. Das Herzstück des Anlagendemonstrators – die Pumpen, der Mischer und die digitalen Komponenten – werden vom 13. bis 16. November auf der COMPAMED, ein Bereich der MEDICA, in Düsseldorf am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 8a, Stand G10 präsentiert.


Weitere Informationen

KliFoNet.NRW steht für Klinisches Forschungsnetzwerk NRW. Der Leuchtturm ist die zentrale Plattform für Austausch und Organisation zur klinischen Forschung in NRW. Mehr Informationen zum Leuchtturm finden Sie auf www.KliFoNet.nrw.

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