Mit Computerspiel-Technologie zu neuen Wirkstoffen gegen Krankheiten

An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) hat sich eine Forschungsgruppe etabliert, die die vorhandene Expertise bei Visual Computing, Biomedizin und Materialwissenschaften zusammenführt. Mit ihren computergestützten Modellen will die Gruppe molekulare Zusammenhänge auf die große Leinwand der virtuellen Realität bringen – und so unerwartete Einsichten ermöglichen.

Mit Computerspiel-Technologie zu neuen Wirkstoffen gegen Krankheiten, Visual Computing
Die H-BRS besitzt langjährige Expertise in der wissenschaftlichen Visualisierung großer Datenmengen und der Erkennung von enthaltenen Mustern. © H-BRS

Es ist eine Revolution, die computerbasierte Modellierungen in den Lebenswissenschaften entfacht haben. Hochgradig komplexe biochemische Vorgänge in Menschen, Tieren oder Pflanzen können bis auf die atomare Ebene veranschaulicht und analysiert werden. Die molekulare Modellierung ist heute ein anerkannter und überaus fruchtbarer Teil der Forschung. Computergestütztes Herangehen erlaubt es, Verläufe vorherzusagen – eine Hilfe von unschätzbarem Wert bei der Erforschung von Wirkstoffen oder Krankheiten wie Krebs.

Forschungsgruppe vernetzt Standorte

An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat sich eine Forschungsgruppe gebildet, die mit Hilfe dieser Technologie Antworten finden will auf gesellschaftlich relevante Forschungsfragen, die mit laborexperimentellen Methoden alleine schwer oder gar nicht zugänglich sind.
Damit vernetzt die Kooperation die drei Hochschulforschungsinstitute IVC, IFGA und TREE. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, durch die Kombination des Erfahrungswissens aus verschiedenen Fachgebieten neue Themenfelder zu erschließen und neue Analysewerkzeuge zu entwickeln. Im Mittelpunkt sollen materialwissenschaftliche und biochemische Fragestellungen stehen, die mit Hilfe der molekularen Modellierung effizient untersuchen werden können.

UMMAS ist noch am Anfang

Das Kürzel UMMBAS, das die Gruppe dem Forschungsprojekt gegeben hat, trägt dem Rechnung. Es steht für „Utilization of Molecular Modelling for Bio-Chemical Application Scenarios“. Das erste Themenfeld, das die Forschungsgruppe sich vorgenommen hat, ist die Erforschung der Familie der Myosine. Diese Proteine kommen in Muskelzellen vor und sind mit zuständig für Bewegung. Fehlfunktionen stehen in Zusammenhang mit schweren Krankheiten wie etwa Herzkrankheiten oder neurologischen Störungen.

Damit treibt das Vorhaben die Digitalisierung der Wissenschaft an der H-BRS weiter voran. Wir werden Wirkstoffe und Materialien passgenauer und effizienter kollaborativ innerhalb der Hochschule und mit externen Partnern entwickeln – ohne Beschränkungen des Standortes und über klassische Disziplinen hinaus.
Matthias Preller, Professor für Strukturbiologie und chemische Analytik und Sprecher des UMMBAS-Projekts

Eine Schlüsselrolle wird dabei die dreidimensionale Visualisierung der Vorgänge auf der atomaren Ebene haben. Das Institut für Visual Computing (IVC) der H-BRS verfügt über umfassende Expertise bei der bildlichen Darstellung großer Datenmengen, Verarbeitung von Sensordaten und der Erkennung von enthaltenen Mustern und Strukturen. Neben dem IVC sind es das Institut für funktionale Genanalytik (IFGA) und das Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE). Diese haben das UMMBAS-Vorhaben gemeinsam ins Leben gerufen.

Verteilte immersive VR-Umgebung

Einen neuartigen Ansatz verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der H-BRS mit der Idee, aus den zu analysierenden Daten hochgradig detaillierte dreidimensionale Modelle zu bilden. Sie wollen diese simultan mit weiteren Nutzern bearbeiten, die sich an anderen Standorten aufhalten. „Verteilte immersive VR-Umgebung“ nennt sich das Konzept, das für die ortsunabhängige Zusammenarbeit viele Vorteile bietet, aber im Hinblick auf biochemische Fragestellungen kaum erforscht ist. Bekannt ist das Konzept der verteilten virtuellen Umgebung aus der Welt der Computerspiele, wo sich auch bereits Konzepte für kooperative Interaktionen etabliert haben. Auf dem Gebiet der Verknüpfung wissenschaftlicher Visualisierung mit Computerspiel-Technologie verfügt die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg über besondere Erfahrung, die durch Professor Wolfgang Heiden in das UMMBAS-Projekt eingebracht wird.

Die Software für die verteilten virtuellen Umgebungen, die im Rahmen des UMMBAS-Projekts entsteht, soll auf längere Sicht der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Kurzfristig versprechen sich die Projektbeteiligten einen naheliegenden Nutzen: Die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulstandorten Sankt Augustin und Rheinbach könnte umfangreich davon profitieren.


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