04.10.2023
Wir wollen unsere Idee in eine Anwendung bringen. Unser Plan ist es, ein Start-up zu gründen, um aus Pflanzen gewonnene therapeutische Proteine zu produzieren und als mögliche Therapeutika zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen beim Menschen zu testen.
Forschende der Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD und für Pflanzenwissenschaften CEPLAS der Universität zu Köln haben in der synthetischen Pflanzenbiologie einen vielversprechenden Ansatz für eine Therapie neurodegenerativer Erkrankungen des Menschen, insbesondere der Huntington-Krankheit, gefunden.
In ihrer jüngst veröffentlichten Studie zeigen sie, dass ein aus Pflanzen gewonnenes synthetisches Enzym – die sogenannte stromal processing peptidase (SPP) – Proteinverklumpungen verhindert. Solche Verklumpungen sind für die krankhaften Veränderungen in Modellen der Huntington-Krankheit (menschliche Zellen und der Fadenwurm Caenorhabditis elegans) verantwortlich.
Pflanzen sind gegen schädliche Proteinaggregationen immun
In ihrer Studie verfolgten Professor Dr. David Vilchez (CECAD) und Dr. Ernesto Llamas (CEPLAS) einen unkonventionellen Ansatz, um potenzielle Medikamente zur Behandlung von PolyQ-Erkrankungen wie der Huntington-Krankheit zu finden. Pflanzen sind ständigen Herausforderungen durch die Umwelt ausgesetzt, können sich jedoch nicht bewegen, um diesen Bedingungen zu entkommen. Allerdings besitzen Pflanzen eine bemerkenswerte Stressresistenz, die ihnen ein langes Leben ermöglicht. Im Gegensatz zum Menschen, der an Proteinopathien leidet, die durch die toxische Verklumpung oder Ansammlung von Proteinen verursacht werden, treten bei Pflanzen diese Art von Krankheiten nicht auf. Pflanzen stellen Hunderte von Proteinen her, die polyQ-Wiederholungen enthalten, es wurden jedoch keine Pathologien aufgrund dieser Faktoren gemeldet. Um zu untersuchen, wie Pflanzen mit der Aggregation toxischer Proteine umgehen, liesen Dr. Ernesto Llamas, Erstautor der Studie, und Kolleg*innen ein mutiertes, toxisches Protein in Pflanzen herstellen, das menschliche Nervenzellen abtötet.
Mit Hilfe der synthetischen Biologie übertrugen die Wissenschaftler dann die Fähigkeit der Pflanzen, die Aggregation zu vermeiden, auf menschliche Kulturzellen und Tiermodelle der Huntington-Krankheit. Sie hofften, dass die Verwendung von Pflanzenproteinen zu neuen therapeutischen Ansätzen für die Behandlung der Huntington-Krankheit und anderer neurodegenerativer Erkrankungen führen könnte.
Wir waren überrascht, die Pflanzen völlig gesund zu sehen, obwohl sie genetisch das giftige menschliche Protein produzieren. Die Expression von mutiertem Huntingtin in anderen Forschungsmodellen wie menschlichen Zellkulturen, Mäusen und Würmern führt zu schädlichen Auswirkungen und Krankheitssymptomen.
Pflanzliches Enzym mindert Huntington-Symptome in menschlichen Zellen und Fadenwürmern
Der nächste Schritt bestand darin, herauszufinden, wie Pflanzen die toxische Anhäufung des mutierten Huntingtins vermeiden. Tatsächlich entdeckten die Forschenden, dass die Chloroplasten, der Grund dafür sind, dass die Pflanzen keine toxischen Proteinablagerungen aufweisen.
Im Gegensatz zum Menschen haben Pflanzen Chloroplasten, einen zusätzlichen Zelltyp von Organellen, der eine erweiterte molekulare Maschinerie zur Beseitigung toxischer Proteinaggregate bereitstellen könnte.
Polyglutamin (PolyQ)-Erkrankungen sind eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die durch mehrfache Wiederholungen von Glutaminaminosäuren in bestimmten Proteinen verursacht werden. Eine übermäßige Anzahl von PolyQ-Wiederholungen kann dazu führen, dass Proteine verklumpen, oder sich in schädlichen Proteinablagerungen ansammeln, was zu zellulärer Dysfunktion und zum Zelltod führt. Bisher wurden neun PolyQ-Erkrankungen beim Menschen beschrieben, die noch immer unheilbar sind. Unter ihnen ist die Huntington-Krankheit eine Erbkrankheit, die zu einer umfassenden Schädigung des Gehirns führt und Denken, Verhalten, Emotionen und Bewegungen stört.
Das multidisziplinäre Team identifizierte das Chloroplasten-Pflanzenprotein SPP als den Grund dafür, dass Pflanzen nicht von dem problematischen menschlichen Protein betroffen sind. Die Produktion des pflanzlichen SPP in Modellen der Huntington-Krankheit wie menschlichen kultivierten Zellen und Würmern wie dem Fadenwurm C. elegans reduzierte die Proteinverklumpungen und die Symptome der Krankheit. „Wir waren erfreut zu beobachten, dass die Expression des pflanzlichen SPP-Proteins die Beweglichkeit von C. elegans-Würmern, die von Huntington betroffen sind, sogar in späteren Alterungsstadien, in denen die Symptome noch schlimmer sind, verbesserte“, sagt Dr. Hyun Ju Lee, eine Postdoktorandin, die an der Studie beteiligt war. Die Ergebnisse eröffnen somit die Möglichkeit, SPP als mögliche Therapie für die Huntington-Krankheit zu testen.
Das Team hat inzwischen eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des GO-Bio Initialprogramms erhalten.
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