10.01.2023
Satelliten haben die Erde im Blick: Sie beobachten Veränderungen auf der Oberfläche, analysieren die Atmosphäre – und sie helfen sogar dabei, die Ausbreitung von Krankheiten zu verstehen. Das hat jetzt eine Studie gezeigt, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der AOK Baden-Württemberg durchgeführt und in der Fachzeitschrift Environmental Health veröffentlicht hat. Konkret ging es um den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Zahl der Grippefälle in dem Bundesland.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten eine Beziehung zwischen der Häufigkeit von Influenza (Grippe) und niedrigen Temperaturen belegen. Laut der Studie ist das Risiko, an Grippe zu erkranken, in Regionen mit der niedrigsten beobachteten Temperatur etwa achtmal so hoch wie in Regionen mit der höchsten beobachteten Temperatur. Außerdem wurde eine Verbindung zwischen Influenza und erhöhten Feinstaub-Werten in der Umgebung ermittelt. Hier ist das Risiko, an Grippe zu erkranken, in Regionen mit den höchsten beobachteten Feinstaubwerten etwa doppelt so hoch wie in den Regionen mit den niedrigsten Feinstaubwerten.
„Der Forschungsansatz kombiniert die herausragenden DLR-Modellierungen aus der Erdbeobachtung mit Krankenversicherungsdaten. So können wir berechnen, ob und wie sich Zusammenhänge mit Umweltstoffen und Klimawerten ergeben“, sagt Prof. Jörn Rittweger vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. „Bisher fehlten Studien, die städtische und ländliche Gebiete gleichermaßen und flächendeckend einbeziehen. Umweltbelastungen wurden stattdessen oft nur punktuell am Boden gemessen.“
Ansatzpunkte für weitere Studien zu Umweltfaktoren
Die Forschenden haben für ganz Baden-Württemberg und alle Quartale zwischen 2010 und 2018 modelliert, wie stark die Umweltwerte waren. Die Daten stammen aus dem Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS). CAMS liefert verschiedene Informationen über die Atmosphäre und gehört zum europäischen Copernicus-Programm. Gemeinsam mit weiteren Erdbeobachtungsdaten ergab sich ein umfassendes Bild, das die Forschenden wiederum mit den Krankenversicherungszahlen kombiniert haben.
„Offenbar haben niedrige Temperaturen die wichtigste Rolle im Zusammenhang mit Grippe-Erkrankungen. Die genauen Mechanismen müssen aber noch aufgeklärt werden“, erklärt Jörn Rittweger, der zur Wirkung von Umweltbelastungen forscht. Unklar ist derzeit auch, inwieweit der beobachtete Temperatur-Effekt zum Beispiel über die UV-Strahlung, die Luftfeuchtigkeit oder den Wasserdampfdruck wirkt. „Dies lässt sich mit den bisherigen Daten noch nicht unterscheiden. In jedem Fall kommt einer Schwächung der Immunreaktion in den Wintermonaten eine zentrale Rolle zu. Hier könnten andere Studien anknüpfen, für die Satelliten wichtige Informationen liefern. Die bei Influenza gemachten Beobachtungen sind auch für ein besseres Verständnis der Corona-Pandemie von Interesse“, sagt Jörn Rittweger. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die spezifischen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen mit dem nun erprobten Modell zu betrachten.
Verbindung von Daten und Modellen
Die europäischen Copernicus-Sentinel-Satelliten beobachten die Luftqualität: Konzentrationen von Spurengasen wie etwa Stickstoffdioxid oder Feinstaub werden hier täglich aus dem All erkannt. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR verbindet sie mit Daten aus bodengebundenen Messungen, Informationen aus Emissionskatastern und mit numerischen Computermodellen. „Die Modelle erlauben es, den Transport von Luftschadstoffen, deren chemische Umwandlung auf ihrem Weg durch die Atmosphäre und auch den Einfluss des Wetters zu erfassen. Auf diese Weise erreichen wir ein sehr genaues Bild der aktuellen Luftqualität und auch deren weitere raumzeitliche Entwicklung für die Region Baden-Württemberg“, sagt Prof. Michael Bittner vom DFD. Die Forschenden im DFD haben auch die Karten erstellt, die die Verteilung der Spurengase für die gesamte Region verdeutlichen.
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