Düsseldorf: Wegweisendes Verfahren moderner Medizin

Behandlungserfolg bei Beta-Thalassämie und Sichelzellkrankheit durch zielgerichtete Geneditierungstherapie

Symbolbild DNA,  Geneditierungstherapie
Symbolbild DNA © Adobe Stock | petarg

Im Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) sind mit einem neuartigen Verfahren aus der Gentechnik Behandlungserfolge bei schwerwiegenden Erbkrankheiten erzielt worden. Dazu sind nun zwei Studien im New England Journal of Medicine (NEJM – Printausgabe) erschienen.

Mit dem als „präzise Genschere“ beschriebenen und dem Nobelpreis ausgezeichneten Verfahren der CRISPR/Cas9-basierten Gen-Editierung wurde erstmals eine zielgenaue Veränderung der DNA blutbildender Stammzellen möglich. Was sich hier so technisch liest, eröffnet erstmals die Perspektive einer Heilung schwer erkrankter Patienten mit angeborenen Störungen der Blutbildung wie der Beta-Thalassämie und der Sichelzellkrankheit mittels patienteneigener Stammzellen.

Bei beiden Erkrankungen ist die Bildung oder Funktion der „erwachsenen“ (adulten) Version des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin gestört. Auch bei optimaler konventioneller Behandlung, z.B. mit regelmäßigen Bluttransfusionen, erleben Patientinnen und Patienten starke, die Lebensqualität einschränkende Symptome. Sie haben schwerwiegende chronische Schäden an lebenswichtigen Organen und letztlich eine deutlich verkürzte Lebenserwartung.

Zwei klinische Studien wurden in der aktuellen Ausgabe des NEJM publiziert. In ihnen konnte nun erstmals die Wirksamkeit und Sicherheit einer CRISPR/Cas9-basierten Geneditierungstherapie mit dem Wirkstoff „Exagamglogene autotemcel“(exa-cel) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit transfusions-abhängiger Beta-Thalassämie und schwer verlaufender Sichelzellkrankheit nachgewiesen werden.

Der Bereich Pädiatrische Stammzelltherapie der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie (Direktor: Prof. Dr. A. Borkhardt) am Universitätsklinikum Düsseldorf ist als spezialisiertes Zentrum an beiden Studien wesentlich beteiligt. Die Klinik hatte vor über zwei Jahren den ersten jugendlichen Thalassämie-Patienten in Deutschland mit diesem Verfahren erfolgreich behandelt.

Der Wirkmechanismus von exa-cel besteht darin, das Programm für die Bildung von fötalem Hämoglobin dauerhaft zu reaktivieren. Dies wird durch eine stabile genetische Veränderung von patienteneigenen, blutbildenden Stammzellen, mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren, erreicht. Das fötale Hämoglobin versorgt das Ungeborene im Mutterleib und junge Säuglinge bis zum dritten Lebensmonat perfekt mit Blutsauerstoff. Es wird danach zu Gunsten der erwachsenen Version des Hämoglobins, adultem Hämoglobin, abgeschaltet. Die erwachsene Hämoglobin-Version übernimmt dann im gesunden Menschen die Blutsauerstoffversorgung für den Rest des Lebens. Bei Beta-Thalassämie und Sichelzellkrankheit ist dies nachhaltig gestört.

Die klinische Studie zur Behandlung von Patientinn:en mit schwer verlaufender Sichelzellkrankheit verfolgte das Ziel, die Häufigkeit von sogenannten vaso-okklusiven Krisen deutlich zu reduzieren. Diese werden durch Verschlüsse kleiner Blutgefäße hervorgerufenen, sind extrem schmerzhaften und häufig mit Krankenhausbehandlungen verbundenen. Nach der Geneditierungstherapie mit exa-cel blieben 29/30 (97 Prozent) der in der Studie auswertbaren Patienten für mindestens zwölf Monate völlig frei von solchen Krisen.

Für Betroffene mit einer von lebenslangen Transfusionen abhängigen Beta-Thalassämie konnte bei 32/35 (91 Prozent) der auswertbaren Patientinn:en erreicht werden, dass für mindestens 12 Monate nach der Therapie keinerlei Bluttransfusionen erforderlich wurden. Die beobachteten Nebenwirkungen waren, so die Autoren der NEJM-Beiträge, im Wesentlichen auf die Chemotherapie zurückzuführen. Diese muss zur Eliminierung der patienteneigenen Stammzellen vor der Rückgabe der geneditierten Zellen eingesetzt werden. Die in den beiden aktuellen NEJM-Veröffentlichungen beschriebenen und für die betroffenen Patienten durchgreifenden und bedeutsamen Behandlungserfolge haben im März 2024 zu einer bedingten Zulassung der Geneditierungstherapie mit exa-cel durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA geführt.

Chronische Organschädigungen bei Beta-Thalassämie und Sichelzellkrankheit beginnen ab dem Kindesalter beginnen und schreiten mit dem Lebensalter fort. Deswegen untersucht das Team von Prof. Dr. Roland Meisel in weiterführenden klinischen Studien aktuell die Wirksamkeit und Sicherheit der Geneditierungstherapie vor allem bei Kindern mit Beta-Thalassämie und Sichelzellkrankheit unter zwölf Jahren. Professor Meisel ist Leiter des Bereichs Pädiatrische Stammzelltherapie an der Düsseldorfer Klinik. Zudem werden alle Patientinn:en nach der Geneditierungstherapie in einer Langzeit-Beobachtungsstudie über 15 Jahre hin sorgfältig überwacht. So soll die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit dieser neuartigen Therapie zu bestätigt werden.


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