Bonn: Proteinkarte von Mitochondrien

Forschende der Uniklinik Bonn und der Uni Freiburg haben einen systematischen Einblick in die Organisation von Proteinen in Mitochondrien gewonnen.

Das Beispiel aus unserer Studie zeigt das große Potential des MitCOM-Datensatzes auf, um neue Mechanismen und Reaktionswege aufzuklären. So stellt diese Karte der Proteine eine wichtige Informationsquelle für weitere Studien dar, die uns helfen werden, die Funktionen und die Entstehung der Kraftwerke der Zelle zu verstehen.
Prof. Dr. Thomas Becker, Direktor des Instituts für Biochemie und Molekularbiologie am UKB
(v. l.) In Bonn waren Swadha Mishra, Arushi Gupta, Dr. Fabian den Brave und Prof. Thomas Becker maßgeblich beteiligt. Foto: R. Müller | Universitätsklinikum Bonn (UKB) - Foto zu "Proteinkarte von Mitochondrien"
(v. l.) In Bonn waren Swadha Mishra, Arushi Gupta, Dr. Fabian den Brave und Prof. Thomas Becker maßgeblich beteiligt.
Foto: R. Müller | Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Mitochondrien gehören zu den wichtigsten Zellbestandteilen. Sie sind abgegrenzte Organellen, die von einer doppelten Membran umgeben sind. Mitochondrien gelten als die Kraftwerke der Zelle, da sie den Großteil der für alle zellulären Prozesse benötigten Energie produzieren. Darüber hinaus führen sie viele weitere Funktionen im Stoffwechsel aus und bilden eine Signaloberfläche für Entzündungsprozesse und den programmierten Zelltod. Defekte der Mitochondrien führen zu zahlreichen Erkrankungen insbesondere des Nervensystems. Daher ist das molekulare Verständnis von mitochondrialen Vorgängen von höchster Relevanz für die medizinische Grundlagenforschung. Die molekularen Arbeiter in der Zelle sind in der Regel Proteine. Mitochondrien können um die 1.000 und mehr verschiedene Proteine enthalten. Um Funktionen ausführen zu können, arbeiten häufig mehrere dieser Moleküle zusammen und bilden eine Proteinmaschine, die man auch Proteinkomplex nennt. Auch interagieren Proteine bei der Durchführung und Regulationen von molekularen Prozessen. Doch über die Organisation der mitochondrialen Proteine in diesen Komplexen ist bisher nur wenig bekannt.

Präzision in der Analyse von dynamischen Proteinmaschinen

Die Arbeitsgruppen von Prof. Thomas Becker und Dr. Fabian den Brave am UKB haben zusammen mit den Arbeitsgruppen von Prof. Bernd Fakler, Dr. Uwe Schulte und Prof. Nikolaus Pfanner der Universität Freiburg ein hochauflösendes Bild der Organisation von Proteinen in Proteinkomplexen erstellt, das als MitCOM bezeichnet wird. Dabei wurde mit einem spezifisches Verfahren, das sogenannte Complexome-Profiling, mit einer bis dahin einmaligen Auflösung die Fingerabdrücke einzelner Proteine aufgezeichnet. MitCOM deckt für über 90 Prozent der mitochondrialen Proteine aus der Bäckerhefe auf, wie sie in Proteinkomplexen organisiert sind. Dadurch ist es möglich, neue Protein-Protein-Interaktionen und Proteinkomplexe zu identifizieren – wichtige Informationen für weitere Untersuchungen.

Qualitätskontrolle in der mitochondrialen Eingangsschleuse TOM als Beispiel

Forschende am UKB haben in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 1218 „Regulation der zellulären Funktion durch Mitochondrien“ gezeigt, wie dieser Datensatz genutzt werden kann, um neue Prozesse aufzuklären. Mitochondrien importieren 99 Prozent ihrer Proteine aus dem flüssigen Anteil, fachsprachlich Cytosol, des Zellinhalts. Dabei ermöglicht eine Proteinmaschine, der sogenannte TOM-Komplex, die Aufnahme dieser Proteine durch die Membran in die Mitochondrien. Es ist jedoch weitestgehend unklar, wie Proteine aus dem TOM-Komplex entfernt werden, wenn sie während des Transportprozesses steckenbleiben. Zur Aufklärung nutzte das Team um Prof. Becker und Dr. den Brave Informationen aus dem MitCOM-Datensatz. Es konnte dabei gezeigt werden, dass nicht-importierte Proteine spezifisch für den zellulären Abbau markiert werden. Die Forschungsarbeiten der Doktorandin Arushi Gupta zeigten ferner einen Weg auf, wie diese markierten Proteine anschließend dem Abbau zugeführt werden. Das Verständnis dieser Prozesse ist wichtig, denn Defekte des Proteinimports können zu Schäden der Zelle und Erkrankungen des Nervensystems führen.


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