Bonn: Neuer Ansatz gegen chronische Entzündungen

Forschenden der Universitäten Bonn und Sao Paulo ist es in Mäusen gelungen, chronische Entzündungen einzudämmen. Sie nutzten dazu maßgeschneiderte „Mini-Antikörper“. Mit diesen Nanobodies gelang es ihnen, Molekülkomplexe im Gewebe aufzulösen, die normalerweise das Immunsystem aktivieren.

Wenn infizierte Zellen (lila) platzen – setzen sie ASC-Specks (hellblau) frei. Die in der Studie eingesetzten Nanobodies (gelb) sorgen für den Abbau der Specks – die Entzündung geht zurück.
© AG Franklin/ Universität Bonn

Die Zellen in unserem Körper besitzen eine ausgeklügelte Alarmanlage, das Inflammasom. Seine zentrale Komponente ist das sogenannte ASC-Molekül. Bei Gefahr – etwa der Attacke eines Krankheitserregers – verbünden sich viele dieser Eiweiß-Verbindungen zu einem großen Komplex, dem ASC-Speck. Dieser sorgt für zweierlei: Erstens häufen sich durch seine Aktivität in der Zelle massenhaft Botenstoffe an, mit denen sie das Immunsystem zur Hilfe rufen kann. Und zweitens werden in der Zellmembran zahlreiche Poren gebildet, durch die diese Warnmoleküle nach außen gelangen und ihre Aufgabe erfüllen können.

Diese Löcher führen letztlich zum Untergang der Zelle: „Irgendwann explodiert sie geradezu und entleert ihren kompletten Inhalt ins Gewebe“, erklärt Prof. Dr. Bernardo Franklin vom Institut für angeborene Immunität am Universitätsklinikum Bonn. „Die nun schlagartig ausgeschütteten Botenstoffe wirken dann wie ein letzter großer Hilfeschrei. Das Immunsystem wird dadurch zu einer starken Entzündungsreaktion veranlasst, die die Infektion eindämmt.“ Daher ist dieser Mechanismus der angeborenen Immunabwehr auch immens wichtig.

Allerdings gelangen dabei auch ASC-Specks ins Gewebe und können dort unter Umständen lange überdauern. „Wir konnten nun in Mäusen zeigen, dass sie durch ihre Aktivität auch nach Abwehr der Gefahr das Immunsystem aktivieren“, sagt Franklin. „Folge können chronische Entzündungen sein, die das Gewebe stark schädigen.“ Zusammen mit Forschenden der Universität Sao Paulo ist es Franklins Arbeitsgruppe gelungen, diesen unerwünschten Effekt zu unterbinden. Dazu nutzten sie sogenannte Nanobodies.

Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich um Antikörper-Fragmente, die sehr simpel aufgebaut sind. „In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Florian Schmidt vom Institut für Angeborene Immunität haben wir Nanobodies erzeugt, die spezifisch gegen ASC wirken und die Specks auflösen können“, erklärt Franklins Mitarbeiter Dr. Damien Bertheloot. Die Forschenden holten sich dazu Schützenhilfe bei einem Alpaka: Sie injizierten dem Tier das ASC-Protein, so dass es dazu passende Antikörper entwickelte. Ein Teil der Alpaka-Antikörper ist sehr einfach aufgebaut. Dies erlaubt es, Fragmente dieser Antikörper als sogenannte Nanobodies herzustellen und zu testen.

Den Beweis, dass der Wirkstoff ASC-Specks auflösen kann, erbrachte das Team an menschlichen Zellkulturen, aber auch an Mäusen. „In unseren Experimenten haben die Mäuse Rheuma- und Gicht-ähnliche Beschwerden“, erklärt Bertheloot. „Nach Gabe des Nanobodies verbesserte sich die Entzündung und auch der Gesundheitszustand der Nager erheblich.“

Möglicherweise könnten die hergestellten Nanobodies in Zukunft ungewollte Entzündungsreaktionen bremsen, die Krankheiten wie Arthritis oder Neurodegeneration verursachen. Bis die Ergebnisse möglicherweise in neue Medikamente münden, werden allerdings selbst im Idealfall noch Jahre vergehen. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift EMBO Molecular Medicine.


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