Bonn: Neue Therapieform gegen hochaggressive Hirntumore wirksam

Ergebnisse der GLORIA-Studie veröffentlicht: neue Therapie mit einer neuartigen Medikamentenklasse von gespiegelten RNA-Polymeren, sogenannten Spiegelmeren, die die Regeneration des Glioblastoms blockieren soll.

Die vom UKB an der Studie beteiligten Mitarbeiter (v.l.) Dr. med. Julian Layer, Assistenzarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des UKB, Prof. Dr. med. Michael Hölzel, Direktor des Instituts für Experimentelle Onkologie am UKB, Prof. Dr. med. Ulrich Herrlinger, Direktor der Klinik für Neuroonkologie des UKB. Hirntumor
Die vom UKB an der Studie beteiligten Mitarbeiter (v.l.) Dr. med. Julian Layer, Assistenzarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des UKB, Prof. Dr. med. Michael Hölzel, Direktor des Instituts für Experimentelle Onkologie am UKB, Prof. Dr. med. Ulrich Herrlinger, Direktor der Klinik für Neuroonkologie des UKB.
© UKB

Glioblastome sind besonders aggressive Hirntumore, die schnell auch in das gesunde Hirngewebe hineinwuchern. Da die Tumore chirurgisch meist nicht vollständig entfernt werden können, ist die Prognose von Glioblastom-Patientinnen und Patienten sehr schlecht. Die Standardtherapie – bestehend aus einer Kombination von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie – verspricht keine Heilung. Mit Hochdruck wird daher nach erfolgreichen Behandlungsmöglichkeiten gesucht. Wissenschaftler erforschen eine neue Therapie mit einer neuartigen Medikamentenklasse von gespiegelten RNA-Polymeren, sogenannten Spiegelmeren. Diese soll die Regeneration des Glioblastoms blockieren. Beteiligt sind Forschende der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), des DKFZ-Hector Krebsinstitutes an der UMM und des Universitätsklinikums Bonn (UKB).

Unter Mannheimer Federführung wurde dazu 2019 an sechs deutschen Universitätsklinika eine Studie gestartet (GLORIA), die erstmals bei Glioblastom-Patienten mehrstufig untersuchen soll, wie der Wirkstoff Olaptesed Pegol (NOX-A12,TME Pharma) gezielt in Verbindung mit einer Strahlentherapie wirkt.

„Das Besondere an unserem Therapieansatz ist, dass wir unseren Blick nicht mehr nur auf die Strahleneffekte in Tumorzellen fokussieren, sondern vor allem auf deren Umgebung, das so genannte Tumormikromilieu. Das Spiegelmer NOX-A12 unterbindet die Ausbildung von neuen Blutgefäßen über einen Mechanismus, der speziell nach der Strahlentherapie von verbleibenden Tumorzellen angekurbelt wird, um sich zu regenerieren“, erklärt Professor Dr. Frank Giordano. Er ist Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der UMM und forscht auch für das DKFZ-Hector Krebsinstitut.

Tumorzellen sind auf die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff im Blut angewiesen. Sie senden daher Botenstoffe aus, die die Bildung von neuen Blutgefäßen fördern und sie dazu anregen, in Richtung des Tumors zu wachsen und diesen zu versorgen. Auch die tödlichen Hirntumore versuchen, sich nach der Therapie auf diese Weise zu regenerieren. CXCL12 ist ein solch körpereigener Botenstoff, der die Gefäßbildung anregt. Das Spiegelmer NOX-A12 inhibiert CXCL12 und torpediert damit die Regeneration des Tumors. „Interessant ist, dass das Prinzip offenbar nur in Kombination mit der Strahlentherapie funktioniert, da die Glioblastome diesen Reparaturmechanismus über CXCL12 besonders nach der Bestrahlung anwenden“, betont Professor Giordano.

In einer ersten Studie der Phase I/II wurde die neue Therapie erstmals an einer kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten mit einem neu diagnostizierten Glioblastom, die gegen die Standardtherapie resistent sind, untersucht. Ziel dabei ist es vor allem, Informationen über die Sicherheit und erste Anhaltspunkte zur Wirksamkeit von NOX-A12 in Kombination mit Strahlentherapie zu erhalten.

Darüber hinaus lieferte die Studie auch neue Erkenntnisse, die für die weitere Entwicklung der NOX-A12 Therapie wichtig sind. Unter Leitung von Forschungsgruppen am Universitätsklinikum Bonn wurden dazu Gewebeproben der Tumore mit modernsten Verfahren untersucht. „Wenn die Tumorzellen und interessanterweise auch die Gefäßzellen selbst viel CXCL12 herstellen, scheint dies mit einem besseren Ansprechen auf die NOX-A12 Therapie zu korrelieren“, erklärt Professor Dr. Michael Hölzel. Er ist Direktor des Instituts für Experimentelle Onkologie am UKB und forscht auch an der Uni Bonn. „Jedoch bedarf es weiterer Studien und einer größeren Anzahl an Proben, um diese Beobachtung wirklich zu belegen“, schränkt Professor Hölzel ein.

Die ersten Daten sind jedoch bereits so vielversprechend, dass die US-amerikanische Gesundheitsbehörde (Food and Drug Administration, FDA) nicht nur den Antrag für NOX-A12 als neues Prüfpräparat (Investigational New Drug, IND) anerkannt hat. Sondern sie befürwortet auch den Antrag auf ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für Arzneimittel (Fast-Track Designation) und kürzt somit einen sonst mehrjährigen Prozess ab.

An der Studie sind die Universitätsklinika in Mannheim, Bonn, Essen, Münster, Tübingen und Leipzig beteiligt. Die Ergebnisse der Studie sind aktuell im renommierten Journal Nature Communications publiziert.


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