Bonn: Humanisierter Zebrafisch beschleunigt Wirkstoff-Forschung

Humanisierte Zebrafische könnten die Wirkstoff-Forschung deutlich beschleunigen. Nun haben Forschende aus Bonn ein neues Modell geschaffen und seinen Nutzen beispielhaft in der Wirkstoff-Forschung für die Erkrankung Multiple Sklerose gezeigt.

Zebrafische und Menschen verfügen beide über einen GPR17-Rezeptor. In der Studie wurde der Fisch-Rezeptor durch sein Pendent aus dem Menschen ersetzt. So lassen sich Wirkstoffe besser untersuchen. © AG Kostenis-Gomeza / Universität Bonn
Zebrafische und Menschen verfügen beide über einen GPR17-Rezeptor. In der Studie wurde der Fisch-Rezeptor durch sein Pendent aus dem Menschen ersetzt. So lassen sich Wirkstoffe besser untersuchen.
© AG Kostenis-Gomeza / Universität Bonn

Der Zebrafisch dient in der Forschung häufig als Modellorganismus. „An der Universität Bonn untersuchen wir etwa, wie Zebrafische defektes Nervengewebe reparieren“, erklärt Prof. Dr. Benjamin Odermatt vom Anatomischen Institut des Universitätsklinikums Bonn. „Das interessiert uns auch deshalb, weil viele Gene, die an diesem Prozess beteiligt sind, in ähnlicher Form auch beim Menschen existieren.“ Im Prinzip könnten Wirkstoffe, die diese Reparatur-Gene im Fisch ankurbeln, somit auch im Menschen funktionieren. Oft sind die Unterschiede zwischen den Erbanlagen von Fisch und Mensch dazu aber dann doch zu groß. Für die Suche nach neuen Medikamenten eignen sich die Larven daher nur eingeschränkt.

Neuer Weg in der Wirkstoff-Forschung: Humanisierung von Zebrafischen

„Wir haben deshalb einen anderen Weg beschritten“, erklärt Prof. Dr. Evi Kostenis vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn. „Wir haben zu einem menschlichen Gen, das dort bei der Reparatur von Nervenzellen eine Rolle spielt, sein Pendant im Zebrafisch gesucht. Dann haben wir dieses Pendant ausgeschnitten und durch die Version aus dem Menschen ersetzt.“ Die neue Erbanlage übernahm dort die Funktion des ursprünglichen Zebrafisch-Gens. „Wenn wir nun eine Substanz finden, die in dem Fisch mit dem Menschen-Gen die Reparaturprozesse ankurbelt, bestehen große Chancen, dass das auch im Menschen so sein wird“, sagt die Wissenschaftlerin, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“ der Universität Bonn ist.

Praxistest in der MS-Forschung für neue Wirkstoffe

In einer Pilotstudie konnten die Forschenden die Nutzbarkeit ihres neuen Modells unter Beweis stellen. Hierzu haben Sie die Erkrankung Multiple Sklerose (MS) als Beispiel verwendet. Bei MS kommt es dazu, dass die Myelinschicht um die Nervenzellen durch das Immunsystem zerstört wird. Hauptverantwortlich für dieses Phänomen scheint ein Defekt im GPR17-Rezeptor zu sein, der für die Reifung von Oligodendrozyten verantwortlich ist. Im gesunden Zustand reparieren diese Zellen Schäden an der Myelinschicht.

Auch Zebrafische verfügen über einen GPR17-Rezeptor“, erklärt Dr. Jesus Gomeza, der die Studie zusammen mit Kostenis und Odermatt geleitet hat. „Und auch dort reguliert er, wie viele Oligodendendrozyten heranreifen.“ Die Forschenden ersetzten nun einen Teil des Rezeptor-Gens durch sein menschliches Pendant – nämlich genau die Struktur, die für den Empfang molekularer Signale zuständig ist. „Wir konnten zeigen, dass dieses neue Gen in den Fischlarven ganz normal funktioniert“, sagt Gomeza. Ein Molekül, das in vitro den menschlichen GPR17-Rezeptor hemmt, kurbelte zudem in den veränderten Fischen die Bildung reifer Oligodendrozyten an.

„Humanisierte Zebrafischlarven erlauben es, rasch viele Substanzen zu screenen, und das mit hoher Erfolgschance, da die Zielgene ja aus dem Menschen stammen“, erklärt Benjamin Odermatt. „Aus unserer Sicht ist das ein sehr vielversprechender Weg für die Wirkstoffentwicklung.“


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