Bonn: Höhenluft wird über längeren Zeitraum von Menschen mit Einkammerherz toleriert

Gemeinsame Hypofon-Studie des Universitätsklinikums Bonn, des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin (DLR) und der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, dass der Kreislauf stabil bleibt.

(v. l.) Dr. Julian Alexander Härtel und Dr. Nicole Müller aus der Abteilung für Kinderkardiologie am UKB, die die Studie gemeinsam leiteten, mit Study Nurse und Koordinatorin Ute Baur, Einkammerherz, Höhenluft
Dr. Julian Alexander Härtel und Dr. Nicole Müller (v. l.) aus der Abteilung für Kinderkardiologie am UKB, die die Studie gemeinsam leiteten, mit Study Nurse und Koordinatorin Ute Baur.
© UKB | M. Steinhauer

Eine lange Flugreise oder eine Übernachtung in den Bergen: Für viele Patientinnen und Patienten mit Fontan-Kreislauf (Einkammerherzen) war das bisher unvorstellbar. Es war medizinisch nur unzureichend erforscht, wie sich akute Höhenveränderung auf ihr Herz-Kreislauf-System auswirkt. Eine Studie, die das Universitätsklinikum Bonn (UKB) gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und weiteren Kooperationspartnern durchgeführt hat, liefert dabei jetzt mehr Gewissheit. Dank unterschiedlicher Messdaten konnte das Forschungsteam nachweisen, dass ein längerer Höhenaufenthalt von 24 bis 30 Stunden von den Betroffenen toleriert wird. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Circulation erschienen.

Um Fontan-Patientinnen und -Patienten mehr Lebensqualität zu ermöglichen, hat das UKB gemeinsam mit dem DLR und der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), gefördert durch die Stiftung KinderHerz, untersucht, wie sich das Herz-Kreislauf-System der Betroffenen während eines längeren Höhenaufenthaltes verhält.

Die Forschenden führten dafür eine Studie durch, die über vier Tage inklusive Übernachtung mit 18 Probandinnen und Probanden im :envihab, dem medizinischen Forschungszentrum des DLR in Köln, lief. Dort wurde eine Höhe von 2.500 m ü.NN simuliert und der Einfluss von Hypoxie (Sauerstoffmangel) auf verschiedene kardiologische und stoffwechselbedingte Parameter untersucht. Die Forschenden werteten sowohl den invasiven Druck durch einen Katheter im Fontan-Tunnel als auch den Blutfluss in der Lunge mithilfe von Echtzeit – Magnetresonanztomographie (MRT) aus. Die Ergebnisse zeigten, dass sich weder der Blutdruck noch der Blutfluss in der Lunge signifikant verändern. Die Probandinnen und Probandekönnen damit einen längeren Höhenaufenthalt von 24 bis 30 Stunden komplikationslos tolerieren.

Insbesondere werteten die Forschenden auch die Sättigungswerte im Schlaf aus. „Das Atemmuster beim Schlafen in der Höhe ist grundsätzlich ein anderes“, erklärt Dr. Nicole Müller. Sie ist Studienleiterin und Oberärztin der Abteilung Kinderkardiologie am UKB. „Auch bei gesunden Menschen kommt es dabei zu einer veränderten Atmung mit kurzen Pausen. Deshalb war es für uns spannend zu beobachten, wie sich die Höhenluft im Schlaf auf Fontan-Patientinnen und -Patienten auswirkt“. Die Auswertungen zeigten erfreulicherweise, dass die Sauerstoffsättigung auch beim Schlafen ausreichend und die Veränderung sogar mit der von gesunden Personen vergleichbar ist.

„Das sind großartige Ergebnisse“, so Dr. Müller. „Ich denke, dass das vielen Fontan-Patientinnen und -Patienten ganz neue Möglichkeiten bietet. Vorher gab es nur Studiendaten darüber, wie sich eine kurzfristige Hypoxie auf ihr Herz-Kreislauf-System auswirkt – Daten über eine längere Hypoxie inklusive Übernachtung haben bisher jedoch gefehlt. Viele Betroffene haben sich deshalb noch nie in ihrem Leben einen längeren Höhenaufenthalt, wie beispielsweise eine Flugreise nach Australien oder eine Übernachtung in den Bergen, zugetraut. Unsere Studie zeigt jetzt, dass dabei unter bestimmten Voraussetzungen keine gesundheitliche Gefahr besteht.“ Die Ergebnisse können Ärztinnen und Ärzten, die Menschen mit Fontan-Kreislauf betreuen, als Orientierung dienen, wenn diese längere Flugreisen oder kürzere Aufenthalte in großer Höhe unternehmen möchten.

„Das :envihab des DLR am Standort Köln bietet einzigartige Möglichkeiten für die patientenorientierte Forschung“, so Prof. Jens Tank. Er ist Leiter der Abteilung Kardiovaskuläre Luft- und Raumfahrtmedizin am DLR. „Die invasive Druckmessung im Fontankreislauf und die Untersuchung mit Echtzeit-MRT sind in der Höhe unter realen Bedingungen nicht realisierbar. Im :envihab konnten wir die Fontan-Patientinnen und -Patienten über mehrere Tage und Nächte unter sehr komfortablen Bedingungen untersuchen und sie sicher einer sauerstoffreduzierten Atmosphäre aussetzen. Wir hoffen sehr, dass wir in Zukunft noch weitere spannende Studien gemeinsam durchführen können.“

„Das ist eine großartige Entwicklung für die Medizin und trägt zu besseren Lebensumständen aller Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler bei“, ergänzt Sylvia Paul, Vorstand der Stiftung KinderHerz. „Wir sind froh, dass wir die gemeinsame Studie des UKB, des DLR und der Deutschen Sporthochschule Köln fördern und damit dazu beitragen konnten, Fontan-Patientinnen und -Patienten ein Stück mehr Lebensqualität zu ermöglichen.“


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