Bonn: Erweitertes OP-Verfahren bei bösartigen Hirntumoren

Deutsche Krebshilfe fördert neurochirurgische Studie zum Glioblastom unter Federführung des Universitätsklinikums Bonn.

(v. l. n. r.) Prof. Dr. Hartmut Vatter; Priv.-Doz. Dr. Matthias Schneider und Prof. Dr. Ulrich Herrlinger, Hirntumor
(v. l. n. r.) Prof. Dr. Hartmut Vatter; Priv.-Doz. Dr. Matthias Schneider und Prof. Dr. Ulrich Herrlinger wollen durch eine erweiterte Resektion die Lebenserwartung von Glioblastompatientinnen und –patienten verlängern.
© UKB | Rolf Müller

Die Kliniken für Neurochirurgie und Neuroonkologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) forschen an neuen Therapieansätzen zur Behandlung des Glioblastoms. Die Lebenserwartung bei diesem bösartigen Hirntumor ist schlecht, eine Chance auf Heilung gibt es bislang nicht. Ein chirurgisches Verfahren, das neben dem Tumor auch das umgebende Hirngewebe entfernt, könnte möglicherweise die Lebenserwartung der Patientinnen und Patienten verbessern.

Die ATLAS/NOA-29-Studie unter Leitung des Bonner Neurochirurgen Privatdozent Dr. Matthias Schneider soll Aufschluss darüber geben, welchen Einfluss dieses chirurgische Verfahren auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität der Betroffenen hat. Das Projekt erhält eine Förderung durch die Deutsche Krebshilfe in Höhe von 1,4 Millionen Euro.

Das Glioblastom ist ein bösartiger Hirntumor mit einer Lebenserwartung von nur etwa 17 Monaten. Die operative Entfernung des Tumors ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Dabei wird in der Regel der im MRT sichtbare Tumoranteil entfernt. Da sich Glioblastomzellen jedoch über den im MRT erkennbaren Bereich in das angrenzende gesunde Gehirngewebe ausbreiten, beginnt der Tumor auch nach der Operation wieder zu wachsen. „Indem wir zusätzlich Gewebe über den sichtbaren Tumorrand hinaus entfernen, könnte das Zeitfenster bis zum Wiederauftreten des Tumors verlängert und die Überlebenszeit der Patientinnen und Patienten verbessert werden“, erklärt Privatdozent Dr. Matthias Schneider. Er ist Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie und Leiter der interdisziplinären Brain Tumor Translational Research Group am UKB.

Die Entfernung von Hirngewebe, das an den Tumor grenzt, kann allerdings auch mit schweren neurologischen Ausfällen einhergehen. Das ist abhängig von der Lokalisation im Gehirn. Deshalb eignet sich ein solches erweitertes Operationsverfahren nicht für jede Tumorlokalisation. Glioblastome im vorderen Schläfenlappen könnten jedoch für dieses Vorgehen in Frage kommen. Für den Schläfenlappen sind erweiterte Resektionen bereits erprobt. So ist die vordere Schläfenlappenresektion, bei der sogar der gesamte vordere Schläfenlappen entfernt wird, ein gängiges Verfahren in der Epilepsiechirurgie. Diese chirurgische Variante wird bei Personen mit Epilepsie angewendet, deren Anfallsleiden im Schläfenlappen seinen Ursprung hat und nicht ausreichend auf Medikamente anspricht. „Wir möchten unsere Erfahrungen aus der Epilepsiechirurgie nutzen, um zu erforschen, ob eine vordere Schläfenlappenresektion auch bei Patientinnen und Patienten mit einem im Schläfenlappen gelegenen Glioblastom geeignet sein könnte“, erläutert Professor Dr. Hartmut Vatter. Er ist Direktor der Klinik für Neurochirurgie am UKB. „Mit diesem Ansatz würden wir nicht nur den im MRT sichtbaren Tumor entfernen, sondern auch weitreichendere Bereiche des Schläfenlappens, die schon von Tumorzellen befallen sind.“

„Lebensverlängernde Effekte durch eine solch erweiterte Resektion von Glioblastomen im Schläfenlappen sind zwar beschrieben [s. Publikationshinweis], jedoch bis dato nicht systematisch in Studien untersucht worden. Unklar ist bisher auch, ob die Entfernung des vorderen Schläfenlappens mit kognitiven Einbußen einhergeht, die die Lebensqualität der operierten Patientinnen und Patienten einschränkt“, sagt Professor Dr. Ulrich Herrlinger. Er ist Direktor der Klinik für Neuroonkologie des UKB. Die ATLAS/NOA-29-Studie soll deshalb auch klären, ob durch die Entfernung des gesamten vorderen Schläfenlappens die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt wird. Dazu sollen in den kommenden drei Jahren insgesamt 170 Glioblastompatientinnen und -patienten in 23 deutschen Zentren sowie jeweils in einem Zentrum in der Schweiz und in Österreich in der Studie einbezogen werden. Das Projekt erfolgt in Kooperation mit der Studienzentrale des Studienzentrums Bonn (SZB).

„Sollte sich ein Überlebensvorteil bei erhaltener Lebensqualität zeigen, würden die aus dieser Studie gewonnen Ergebnisse das chirurgische Vorgehen bei einem im Schläfenlappen gelegenen Glioblastom womöglich verändern. Betroffene könnten dann routinemäßig mit einer Entfernung des vorderen Schläfenlappens effektiver behandelt werden“, erhofft sich Privatdozent Schneider. Zudem könnten diese Erkenntnisse dann darauf hindeuten, dass eine erweiterte Resektion auch bei Glioblastomen in anderen ausgewählten Bereichen des Gehirns vorteilhaft sein könnte.


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