Bonn: Ataxien – Internationale Auszeichnung für Bonner Patientenversorgung und Forschung

Die Spezialambulanz für Ataxien am Universitätsklinikum Bonn und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen wurden für ihre Patientenversorgung und Forschung mit dem Titel „Ataxia Center of Excellence“ ausgezeichnet – als einzige Einrichtung in Europa.

Eine Frau und ein DZNE-Mitarbeiter bei einer Ganguntersuchung auf einem Flur.
Ataxien äußern sich unter anderem in Gangunsicherheit und anderen Störungen der Bewegungskoordination (Symbolbild).
© DZNE / Frommann

US-amerikanische Stiftung zeichnet Universitätsklinikum Bonn und DZNE aus

Die Spezialambulanz für Ataxien am Universitätsklinikum Bonn (UKB) und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) wurden für ihre Patientenversorgung und Forschung von der US-amerikanischen National Ataxia Foundation (NAF) mit dem Titel „Ataxia Center of Excellence“ ausgezeichnet – als einzige Einrichtung in Europa. Die Stiftung vertritt Patienteninteressen und ist weltweit einer der wichtigsten nichtstaatlichen Geldgeber für Erforschung von Ataxien. Diese seltenen Hirnerkrankungen machen sich unter anderem durch fortschreitende Gangunsicherheit und Sprechstörungen bemerkbar. Hierzulande sind Schätzungen zufolge rund 16.000 Frauen und Männer betroffen.

Einzige Einrichtung in Europa

Die NAF hat auf Grundlage eines Bewerbungsverfahrens, in dem die Qualität der Versorgung von Patientinnen und Patienten und der klinischen Forschung bewertet wurde, den Titel „Ataxia Center of Excellence“ an weltweit 19 Kliniken und Institute verliehen. Nur vier davon liegen außerhalb der USA. Das Tandem aus UKB und DZNE ist die einzige ausgezeichnete Einrichtung in Europa. „Das ist eine große Anerkennung für unser gesamtes Team“, sagt Dr. Jennifer Faber, stellvertretende Leiterin der Spezialambulanz für Ataxien am UKB und wissenschaftliche Mitarbeiterin am DZNE. „Mit der ambulanten und stationären Behandlung sowie interdisziplinären Konferenzen bieten wir ein umfangreiches Angebot speziell für Patienten mit Ataxien. Die enge Verzahnung von Patientenversorgung und Forschung ist herausragend und ein großer Vorteil unseres Standortes.“

Versorgung und Forschung zu Ataxien

Bonn ist seit Jahren ein wichtiges Zentrum der Versorgung von Menschen mit Ataxien und eine treibende Kraft in der Erforschung dieser Hirnerkrankungen. Die Ataxie-Ambulanz des UKB versorgt über 250 Patientinnen und Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet. Ihre gesundheitliche Entwicklung wird von den Bonner Fachleuten oft über Jahre hinweg begleitet. Darüber hinaus betreibt das Team um Prof. Thomas Klockgether – er ist auch Direktor der Klinischen Forschung des DZNE und Direktor der Klinik für Neurologie am UKB – diverse klinische Beobachtungs- und Interventionsstudien. Von Bonn aus wird zudem ein europäisches Netzwerk zur Erforschung von Ataxien koordiniert. Über 150 der Patientinnen und Patienten nehmen jährlich an Studienvisiten im DZNE teil und unterstützen so die Forschung im Bereich der zu den seltenen Erkrankungen zählenden Ataxien.

Wissenschaft und Perspektiven

Ataxien sind bislang nicht heilbar. Gemeinsam ist den verschiedenen Varianten eine Schädigung des Kleinhirns. Infolgedessen kommt es zu Störungen in der Koordination von Bewegungsabläufen. Typische Auswirkungen sind Gangunsicherheit und Sprechstörungen. Physiotherapie kann die Beschwerden mildern – die Wirkung ist aber nur symptomatisch und setzt nicht bei den Ursachen an. Thomas Klockgether hat jedoch die Hoffnung, dass es gelingen könnte, zumindest manche Ataxieformen an ihren Wurzeln zu packen. „Die Pharmaindustrie hat erste Wirkstoffe entwickelt, deren Angriffspunkte im Bereich der spezifischen krankheitsrelevanten Gene liegen. Wir sind im Gespräch mit den Herstellern, um an der Erprobung dieser Substanzen mitzuwirken. Für derartige Tests sind große und gut charakterisierte Probandengruppen erforderlich. Solche Studienkohorten haben wir über Jahre hinweg aufgebaut. Das macht uns als wissenschaftlichen Partner für Pharmaunternehmen attraktiv“, so Klockgether.

Sollten in Zukunft wirksame Gentherapien zur Verfügung stehen, werden solche Erkenntnisse eine Behandlung bereits vor Symptombeginn erlauben.
Jennifer Faber, stellvertretende Leiterin der Spezialambulanz für Ataxien am UKB und wissenschaftliche Mitarbeiterin am DZNE

Ein Schwerpunkt der Ataxie-Forschung in Bonn ist es, früh im Krankheitsverlauf auftretende pathologische Veränderungen des Kleinhirns mithilfe von MRT-Bildgebung zu untersuchen. „Im Rahmen unserer Forschung identifizieren wir Veränderungen des Kleinhirns, die bereits vor dem Beginn von Symptomen, wie etwa Gangunsicherheit, messbar sind“, erläutert Jennifer Faber. „Sollten in Zukunft wirksame Gentherapien zur Verfügung stehen, werden solche Erkenntnisse eine Behandlung bereits vor Symptombeginn erlauben. Damit ist die Hoffnung verbunden, den Beginn der Ataxie, wenn nicht zu verhindern so doch zeitlich nach hinten zu verschieben.“

Das Universitätsklinikum Bonn

Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient:innen betreut, es sind ca. 9.000 Mitarbeiter:innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,6 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 585 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf.

Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Das DZNE ist ein von Bund und Ländern gefördertes Forschungsinstitut, das bundesweit zehn Standorte umfasst. Es widmet sich Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen. Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankungen, die eine enorme Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das Gesundheitssystem bedeuten. Ziel des DZNE ist es, neuartige Strategien der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung zu entwickeln und in die Praxis zu überführen. Dafür kooperiert das DZNE mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen im In- und Ausland. Das Institut ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und zählt zu den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.


Weitere Informationen

KliFoNet.NRW steht für Klinisches Forschungsnetzwerk NRW. Der Leuchtturm ist die zentrale Plattform für Austausch und Organisation zur klinischen Forschung in NRW. Mehr Informationen zum Leuchtturm finden Sie auf www.KliFoNet.nrw.

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