08.07.2024
Platzt eine Gefäßaussackung an der Hauptschlagader, bedeutet das akute Lebensgefahr. Solche sogenannten Aortenaneurysmen bilden sich typischerweise an immer denselben Stellen des großen Blutgefäßes: entweder am oberen Bogen oder im Bauchraum. „Wir wollten wissen, warum es immer ausgerechnet diese Stellen sind – was unterscheidet sie von anderen?“, erklärt Prof. Dr. Daniela Wenzel. Sie ist Leiterin des Lehrstuhls für Systemphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum. Untersuchungen der Genaktivität der innersten Gefäßschicht zeigten, dass es schon bei gesunden Mäusen Auffälligkeiten an genau diesen Stellen gibt. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift
.Stempeltechnik erlaubt RNA-Analyse des Endothels
Um herauszufinden, was die immer wieder betroffenen Gefäßregionen von anderen unterscheidet, entwickelten Daniela Wenzel und ihr Team eine Methode, um gezielt das Endothel der Aorta zu untersuchen: die innerste Schicht des Blutgefäßes. Die Gruppe aus Bochum und Bonn gehört dem Sonderforschungsbereich/Transregio 259 „Aortenerkrankungen“ an. „Von anderen Gefäßerkrankungen wie zum Beispiel Arteriosklerose ist bekannt, dass es schon lange vor dem Auftreten von Symptomen Veränderungen in dieser innersten Schicht gibt“, so die Forscherin.
Es gelang den Forschenden, mittels einer Stempeltechnik unter großer Kälte ausschließlich die Endothelzellen der Aorta gesunder Mäuse zu isolieren. Aus diesen kleinen Proben, die nur rund 350 einzelne Zellen umfassten, konnten sie die RNA isolieren und untersuchen. Sie analysierten so die Genaktivität an verschiedenen Stellen der Aorta und verglichen die Stellen, an denen sich häufig Aneurysmen bilden, mit solchen, die diese Tendenz nicht zeigen.
Genetische Auffälligkeiten
„An den Stellen, an denen sich häufig Aussackungen bilden, haben wir bestimmte Muster hochregulierter Gene gefunden“, berichtet Alexander Brückner. Er ist Doktorand in der Arbeitsgruppe am Institut für Physiologie I des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Bonn und Erstautor der Studie. „Diese auffällig aktiven Gene beeinflussen zum Beispiel Veränderungen der extrazellulären Matrix, die Neubildung von Gefäßen und bestimmte Entzündungsreaktionen.“ Solche genetischen Auffälligkeiten findet man auch in Gewebe aus humanen Aneurysmen. Die Forschenden bestimmten zusätzlich die Steifigkeit des Endothels an den gesunden Aortenproben zusammen mit Kooperationspartnern aus dem Institut für Physiologie der Universität Lübeck. Je weniger elastisch das Endothel ist, desto schlechter ist das für die Gefäßgesundheit. Sie konnten nachweisen, dass das Endothel an den Stellen, an denen häufig Aneurysmen entstehen, steifer war als an den Vergleichsstellen.
Im nächsten Schritt nutzte das Team ein etabliertes Modell einer Knock-out-Maus. Diese neigt aufgrund einer gezielten genetischen Veränderung zur Bildung von Aneurysmen. Löst man bei diesen Mäusen zusätzlich Bluthochdruck aus, bilden sich Aortenaneurysmen. Sie verglichen die genetische Aktivität im Aortenendothel der genetisch veränderten Mäuse ohne Aneurysma mit der bei Mäusen, die durch zusätzlichen Bluthochdruck ein Aneurysma entwickelt hatten. „Bei den Mäusen mit Aneurysma haben wir in erheblich stärkerem Ausmaß Genveränderungen vorgefunden, die derselben Kategorie angehören wie die Genveränderungen bei gesunden Mäusen“, so Alexander Brückner. Bei den Mäusen mit einem Aneurysma war zusätzlich die Gefäßwand verändert.“
Schwachstellen absehbar
Die Forschenden schließen daraus, dass die Stellen, an denen sich häufig Aneurysmen bilden, von vornherein Schwachstellen sind. „Die Gründe dafür kennen wir nicht – vielleicht hängt das mit den mechanischen Gegebenheiten und dem dortigen Blutfluss zusammen, vielleicht ist die veränderte Genaktivität an diesen Stellen von Geburt an angelegt“, erklärt Daniela Wenzel. Letzteres erscheint plausibel, da sich die Aorta auf verschiedenen Höhen aus unterschiedlichen embryonalen Vorläuferzellen entwickelt. „Wenn dann noch Risikofaktoren hinzukommen – etwa Rauchen und Bluthochdruck – sind diese Stellen für die Bildung einer Gefäßaussackung besonders anfällig“, erklärt die Medizinerin.
Sie hofft, durch die Grundlagenforschung die Prozesse, die zur Bildung eines Aneurysmas führen, besser verstehen zu können, und so irgendwann zu Ansätzen für eine medikamentöse Behandlung zu gelangen.
Kooperationspartner und Förderung
An der Studie waren Forschende der Abteilung Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum RUB, des Life & Brain Centers am Institut für Physiologie der Universität Bonn, des Instituts für Physiologie der Universität Lübeck, des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung DZHK Lübeck sowie des Herzzentrums des Universitätsklinikums Bonn UKB beteiligt. Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 259.
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