26.07.2021
„Vor allem in Notunterkünften zeigt sich ein erhebliches Risiko für eine Ansteckung. Das gilt sowohl für die Bewohner:innen als auch für die Mitarbeitenden“, sagt Professor Dr. med. Kayvan Bozorgmehr. „Zudem haben Hilfsorganisationen wie die Tafeln zeitweise nur eingeschränkt gearbeitet, sodass die Corona-Pandemie für Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, besonders schwierig ist.“ Bozorgmehr leitet die Arbeitsgruppe Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld.
Gemeinsam mit Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München haben Bozorgmehr und Mitglieder seiner Arbeitsgruppe den Stand der Forschung systematisch untersucht. Die Metaanalyse zeigt: Im Falle eines akuten Corona-Ausbruchs in Notunterkünften steigt der Anteil infizierter Bewohner:innen von rund 2 auf 32 Prozent. Auch die Mitarbeitenden in Notunterkünften sind einem größeren Risiko ausgesetzt – bei einem Ausbruch steigt die Rate infizierter Personen von circa 1,6 auf 15 Prozent.
Insgesamt 37 empirische Studien haben die Forschenden bewertet – 13 Studien davon aus der ersten Jahreshälfte 2020, der Rest aus der Zeit bis zum Februar 2021. „Wir haben die Studien nach vorher festgelegten Kriterien ausgewählt“, so Amir Mohsenpour von der Universität Bielefeld, der Erstautor der Untersuchung. „Aus rund tausend Studien haben wir diejenigen gefiltert, die sich empirisch mit Corona-Infektionen im Kontext von Wohnungslosigkeit beschäftigen und bereits in wissenschaftlichen Journalen publiziert sind. Wohnungslosigkeit ist hierbei ein Oberbegriff für unterschiedliche Lebens- und Wohnverhältnisse – beispielsweise fallen darunter Personen, die im Freien übernachten. Da diese Personengruppe aber nur schwer zu erreichen ist, beschäftigen sich die Studien mehrheitlich mit Menschen, die in temporären Notunterkünften unterkommen.“
Die Daten aus den Studien beschreiben überwiegend die Situation in den USA. Außerdem erfasst sind Studien aus Kanada, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Brasilien, Südafrika, Italien, Spanien und der Slowakei. „In Deutschland wurden bisher noch keine Studien zu dem Thema in Fachzeitschriften veröffentlicht, aber im Kern finden wir hier dieselben Muster“, sagt Bozorgmehr. „Beengte Unterkünfte in der kalten Jahreszeit und gemeinsame Sanitäranlagen beispielsweise stellen ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung dar.“
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Zur Pressemitteilung beim idw.