12.04.2023

© P. Pollmeier/FH Bielefeld
Gütersloh (fhb). Einmal pusten, Pflaster drauf, und der Rest heilt von alleine? Was bei aufgeschrammten Kinderknien meist problemlos funktioniert, ist bei der Wundversorgung in der Altenpflege kaum möglich. Hier sind die Pflegenden nicht selten mit chronischen Wunden konfrontiert, wie sie etwa durch Bettlägerigkeit entstehen können – Stichwort: Dekubitus. Diese Art der Wunden verschlimmern sich, wenn sie nicht oder nicht richtig behandelt werden.
Vielfalt der Wundverläufe und Zeitmangel stressen Pflegende
„Nur etwa 20 Prozent aller chronischen Wunden, mit denen die Pflegenden in der ambulanten Altenpflege konfrontiert werden, werden adäquat behandelt“, zitiert Julien Maarten Akay eine aktuelle Untersuchung. „Die Pflegekräfte kommen schnell an Grenzen angesichts der Vielfalt der Wundverläufe, der ohnehin hohen Arbeitsbelastung und des demografischen Wandels, der immer ältere und gebrechlichere Menschen hervorbringt, deren Wunden nur noch sehr langsam heilen.“ Akay will dieser Entwicklung etwas entgegensetzen und die Pflegenden bei der richtigen Analyse, Einschätzung und Behandlung der Wunden unterstützen. Dabei setzt er auf eine Art digitale Fachkraft. Ihr Name: Künstliche Intelligenz (KI). KI ist Akays fachliches Thema im Forschungsmaster Data Science am Standort Gütersloh der Fachhochschule (FH) Bielefeld.
KI bietet Pflegenden eine zweite Meinung
Welche zusätzlichen Vorteile kann KI in der Wundversorgung bringen? Akay nennt ein Beispiel: „Eine Pflegekraft entdeckt eine neue Wunde, macht wie üblich per Smartphone oder Tablet ein Foto und hinterlegt es in Vivendi. Die Versorgung richtet sich nun nach der Art der Wunde, aber die ist leider nicht ganz eindeutig zu erkennen. Hier könnte die KI einspringen, das Foto in der App analysieren und jeder Wundart eine Wahrscheinlichkeit zuordnen: zu 88 Prozent ein Druckgeschwür, zu 7 Prozent ein Ulcus Cruris, zu 2 Prozent ein diabetisches Fußgeschwür usw. Die Pflegekraft erhält so eine zweite Meinung, um Art und Ausmaß der Wunde noch besser diagnostizieren zu können und über die weitere Behandlung zu entscheiden.“
Ki soll auch den Verlauf für die Wundversorgung berücksichtigen
Bei der Erkennung des Ist-Zustands der Wunde soll es nicht bleiben – die KI soll noch mehr leisten: „Ziel ist es, auch den Verlauf der Wunde zu berücksichtigen und dann aus Historie, Ist-Zustand und textlicher Wunddokumentation Handlungsvorschläge zur Wundversorgung zu generieren“, sagt Julien Maarten Akay. Dann könnte doch die Software die Entscheidung komplett übernehmen? „Das stellt man sich vielleicht allgemein so vor, aber das ist weder gewollt noch sinnvoll“, sagt Björn Gorniak, Produktmanager bei Connext und Projektverantwortlicher. „Alle Assistenzsysteme, die wir bei Connext entwickeln, sollen die Fachlichkeit von Pflegenden unterstützen und keinesfalls ersetzen. KI-Systeme sind im Grunde ziemlich dumm, denn sie können weder empathisch agieren, noch kennen sie den Menschen, der zu behandeln ist. Sie erfüllen einfach die Aufgabe, für die der Mensch sie programmiert hat. In diesem Fall ist das die Zuordnung von Wundbildern und die Analyse der Wundart. Gegenüber der Situation eines pflegebedürftigen Menschen sind sie blind. Diese beurteilen Pflegende am besten und das werden sie auch in Zukunft weiter tun!“
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