Aachen: Mit Bio-Tinte Knorpel ersetzen

Wachstum und Ersatz von beschädigtem Knorpelgewebe mithilfe einer bahnbrechenden 4D-Druck-Technologie: Danach strebt ein Wissenschaftsteam des DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in Aachen. Es erhält von der Werner Siemens-Stiftung für fünf Jahre eine Fördersumme von rund 10 Millionen Euro, um im Projekt „TriggerINK“ eine sogenannte Bio-Tinte mit besonderen Eigenschaften zu entwickeln.

Wollen mit TriggerINK eine Alternative für den Ersatz von Körpergeweben entwickeln (von links): Stefan Hecht, Laura De Laporte, Matthias Wessling und Andreas Herrmann
Wollen mit TriggerINK eine Alternative für den Ersatz von Körpergeweben entwickeln (von links): Stefan Hecht, Laura De Laporte, Matthias Wessling und Andreas Herrmann © Stefanie Ratzke/DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien

Der menschliche Körper besteht aus einer Fülle unterschiedlich aufgebauter und teils sehr komplexer Gewebe. Werden sie beschädigt, ist die Medizin vor große Herausforderungen gestellt, um ihre Funktion wiederherzustellen. Es gibt zwar Verfahren, um beispielsweise Reparaturen am Knorpel im Knie vornehmen zu können, jedoch führen solche Eingriffe nicht zu einer langfristigen Heilung, die das geschädigte Gewebe einschließlich seiner vollständigen Funktionen wiederherstellt. Entsprechend sind häufig mehrere Operationen notwendig, da eine Behandlung nicht zu einem stabilen, gesunden und funktionellen Knorpel führt.

4D-Druck – Potenzial für den Knorpelersatz von morgen

Ein interdisziplinäres Team vom DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen will im Projekt TriggerINK eine Alternativtechnologie für den Ersatz von Gewebe entwickeln. Geleitet wird es von Laura De Laporte, Professorin für Advanced Materials and Biomedicine. Zum Einsatz kommt bei TriggerINK das innovative Prinzip des 4D-Drucks, für das eine spezielle Bio-Tinte konzipiert wird. Der 4D-Druck ist eine Weiterentwicklung der 3D-Drucktechnologie: Beim gängigen 3D-Druck wird Schicht für Schicht eines Materials übereinander aufgetragen, sodass eine dreidimensionale Struktur entsteht – wie ein Würfel. „Der zusätzliche Faktor, der dem 4D-Druck auch seinen Namen gibt, ist die ‚Zeit‘: Wir bauen spezielle Komponenten in die Tinte ein, die zu ganz bestimmten Zeiten auf äußere Reize reagieren. So lässt sich das gedruckte Material – also in dem Beispiel der Würfel – mit Licht bewegen oder bioaktive Komponenten können bei Bedarf mit Ultraschall freigesetzt werden“, erklärt die Chemie-Ingenieurin.

Das Team will nun mithilfe von TriggerINK eine neue Methode für den Ersatz von beschädigtem Körpergewebe entwickeln: Mittels direktem Druck von 4D-Strukturen in die betroffene Wunde. Zur Erprobung der Technologie haben die Forschenden Knorpel im Kniegelenk ausgewählt. „Wir stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, wenn wir gesundes Gewebe an beschädigten Stellen nachwachsen lassen möchten. Beispielsweise muss das gedruckte Material einen sehr bestimmten, zum natürlichen Pendant vergleichbaren Aufbau haben. Es enthält daher Poren und orientierte Mikro-strukturen, welche das Wachstum von körpereigene Zellen in das Gewebe fördern und es damit seine ursprüngliche Funktion wieder erfüllen kann. Im Fall des Kniegelenks muss es z.B. Druck- oder Reibungsbelastung standhalten“, erläutert der Chemie-Ingenieur Matthias Wessling. Seine Forschung beschäftigt sich unter anderem mit den verfahrenstechnischen Anforderungen zum Druck poröser und mikro-strukturierter Objekte.

Gebündeltes Wissen als Schlüssel zum Erfolg

TriggerINK ist ein Paradebeispiel dafür, wie innovative Wissenschaftsvorhaben organisiert sein können: Sie bündeln das Wissen unterschiedlichster Fachrichtungen. Mit Laura De Laporte und ihrer Kompetenz zur Entwicklung von biomedizinischen Materialien vereinen insgesamt vier führende Experten ihres jeweiligen Feldes ihre Kompetenzen: Die Professoren-Kollegen Stefan Hecht (3D-Druck durch Licht), Andreas Herrmann (Wirkstoff-Freisetzung durch Ultraschall) und Matthias Wessling (chemische Verfahrenstechnik) vervollständigen das Team. „Es ist eine wirkliche Besonderheit und ein Privileg, dass wir am Institut derart unterschiedliches Wissen unter einem Dach haben. Wegen dieses Heimspiel-Vorteils und der besonderen Organisationsform mit einem Start up-ähnlichem Aufbau des Projekts sind wir zuversichtlich, diese Entwicklung in großen Schritten vorantreiben zu können“, erklärt der Chemiker Stefan Hecht. Doch bei diesem Personenkreis bleibt es nicht: „Wir streben die Entwicklung eines Medizinproduktes an – das heißt, auch die Perspektive der Anwendenden aus der Klinik ist für uns unabdingbar. Daher begleiten und beraten uns ebenfalls hochrangige Kolleginnen und Kollegen aus der Medizin sowie aus der molekularen Zellbiologie“, ergänzt er.

Erst im März war Projektleiterin Laura De Laporte erfolgreich bei der Einwerbung des hoch kompetitiven ERC Consolidator Grant. In ihrem Forschungsprojekt „HEARTBEAT“ soll vaskularisiertes, strukturiertes und schlagendes menschliches Herzgewebe im Labor gezüchtet werden.


Weitere Informationen


Beitrag teilen:
X
LinkedIn
Mail
Link kopieren