Aachen: fit4translation geht im Rahmen der Medizin­informatik-Initiative an den Start

Medizinische Software im akademischen Kontext: Wissenschaftler:innen an den Universitäten entwickeln oft innovative Lösungen, die aber nie in der Patientenversorgung ankommen, weil sie die Hürden der Anforderungen an ein Medizinprodukt nicht überwinden. Das Verbundprojekt fit4translation will diese Herausforderungen im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) nun angehen.

Projektkoordinatorin Jun.-Prof. Dr.-Ing. Myriam Lipprandt., MII, Medizinische-Software
Projektkoordinatorin Jun.-Prof. Dr.-Ing. Myriam Lipprandt.
© TMF e.V.

Digitale Assistenten, die Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnosefindung und Therapieauswahl bei seltenen Erkrankungen unterstützen, Software die in Röntgenbildern auf krankhafte Veränderungen hinweist oder Algorithmen, die frühzeitig vor Kontraindikationen oder Wechselwirkungen von Medikamenten warnen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Universitäten entwickeln häufig innovative Lösungen. Diese kommen aber nie in der Patientenversorgung an, weil sie die Hürden der regulatorischen Anforderungen an ein Medizinprodukt nicht überwinden können. Das Verbundprojekt fit4translation will diese Herausforderungen im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) nun angehen. „In fit4translation möchten wir die Kompetenzen von Forschenden für regulatorische Aspekte von Medical Device Software zur klinischen Entscheidungs­unterstützung an der Schnittstelle zwischen medizinischer Forschung und klinischer Erprobung auf dem Weg in die Routineversorgung im Sinne einer gemeinsamen translationalen Forschung stärken“, erläutert die Projektkoordinatorin Jun.-Prof. Dr.-Ing. Myriam Lipprandt von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.

Unzählige Daten werden täglich in Kliniken, Arztpraxen und in der Forschung erhoben. Das Ziel der Medizininformatik-Initiative (MII) ist es, diese Daten sowohl für die Forschung als auch die Krankenversorgung nutzbar zu machen. Die Basis sind dabei die sogenannten Datenintegrationszentren in den Universitätskliniken. Die Daten werden von verschiedenen Forscherteams genutzt, um Anwendungen zu entwickeln. Sie erkennen beispielsweise gefährliche Arznei­mittel­kombinationen oder helfen bei der Diagnostik- und Therapieauswahl bei Krebs oder Augenerkrankungen. Diese sogenannten Use Cases in der MII sollen die Versorgung verbessern und sicherer machen.

IT-Lösungen verbessern die Versorgung von Patientinnen und Patienten

Doch um solche klinischen Entscheidungs­unterstützungssysteme in der Versorgung, also an Patientinnen und Patienten einsetzen und erforschen zu dürfen, müssen die Entwicklung und der Betrieb den Regeln der Europäischen Medizinprodukte­verordnung (Medical Device Directive, MDR) folgen. Diese Regeln gelten für kleine Arbeitsgruppen an Universitäten genauso wie für große Firmen, die für diesen Bereich eigene Abteilungen vorhalten. 

„Wir möchten mit unserem Projektfit4translation Methoden und Prozesse entwickeln und evaluieren, die an den Universitäten umsetzbar sind und trotzdem die Anforderungen der MDR erfüllen“, so Lipprandt. „Dazu muss man sehr früh eine Translationsstrategie entwickeln, also den Weg bis zur ersten Erprobung an Patientinnen und Patienten.“ Hier hilft Lipprandt ihre Erfahrung als wissenschaftliche Leiterin des Translationszentrums der RWTH Aachen. Ergänzt wird das Projektteam durch Dr. Michael Stork von der Uni Münster. Er ist Wissenschaftler am dortigen Institut für Medizinische Informatik und bringt die Erfahrung als Softwareentwickler und Qualitätsmanagement­beauftragter ein. „Im Informatikstudium lernt man wenig über die notwendige technische Dokumentation“, so Storck. „Mustertexte, Vorlagen und Beispiele erleichtern den Einstieg in die Thematik.“

Realistische Situationen ohne Gefährdung

Um die Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit von medizinischer Software und digitalen Medizinprodukten zu untersuchen wird im Rahmen des Projektes auch der Aufbau eines Simulations- und Usabilitylabors gefördert. „Mit den Patientensimulatoren können wir kontrolliert und reproduzierbar das Verhalten der Anwender bei der Bedienung der Medizinprodukte beobachten. Und das in völlig realistischen kritischen Situationen ohne einen Patienten zu gefährden“, erläutert Lipprandt. Das von ihr geleitete Labor wird für verschiedene Anwendungsszenarien aus der perioperativen sowie der Intensiv- und Notfallmedizin im Rahmen von Forschungskooperationen zur Verfügung stehen.

D Dr. Sven Zenker, Leiter des Datenintegrationszentrums an der Uniklinik Bonn ist ein weiterer Punkt wichtig: „Es reicht nicht, dass die Software an sich gut funktioniert: sie muss auch gut und sicher in einer komplexen IT-Landschaft zu betreiben sein.“ Daher bringen er und sein Team Kompetenzen im Bereich Risikomanagement in Medizin-IT-Netzwerken in das Projekt ein.

Das interdisziplinäre Team aus Ärzten und Informatikern sieht das Problem nicht in den einzelnen Anforderungen. „Die Herausforderung ist, die regulatorischen Anforderungen früh genug in dem Forschungsprojekt zu berücksichtigen. Daher müssen wir die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sensibilisieren, bereits in der ersten Planungsphase eines Forschungsprojektes an die Translation zu denken,“ sagt Prof. Julian Varghese, Leiter des Instituts für Medizinische Informatik der Uni Münster, dem vor allem die Ausbildung wichtig ist. „Wir müssen diese Art, die Translation zu denken, zusammen mit Anleitungen zur praktischen Umsetzung in verschiedenen Lehrformaten vermitteln.“

Beratung von Forschen­den in der TMF-Arbeits­gruppe geplant

Ergänzt wird das Projekt durch Beratungsangebote, die das fit4translation-Team über die TMF-Arbeitsgruppe Medizinische Software und Medizinprodukterecht (AG MSM) anbietet. „Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe ist wichtig, damit wir die Ergebnisse dieses Projektes verbreiten und vor allem die Expertise in der Community verstetigen können“, erläutert Lipprandt.


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